Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

US-Beamte kontrollieren auf EU-Airports Passagiere – auch in Frankfurt am Main. Bundesregierung sieht kein Problem. Gespräch mit Andrej Hunko

Nach Medienberichten überschreiten Beamte der US-Heimatschutzbehörde in der EU und auch in der Bundesrepublik massiv ihre Befugnisse und hindern Passagiere immer wieder an der Einreise in die Vereinigten Staaten. Wie hat man sich das vorzustellen?

Beamte mehrerer US-Ministerien sind in der gesamten EU an großen Flughäfen, aber auch Seehäfen tätig. Insgesamt handelt es sich dabei um einige hundert Personen von mehreren Behörden, darunter Zoll, Einwanderung und Küstenwache. Ihre Aufgabe ist die Vorverlagerung von Sicherheitskontrollen. In der Praxis bedeutet das, dass sie Personen, aber auch Fracht vor der Einreise in die USA überprüfen. Dafür werden beispielsweise US-Datenbanken von Polizeien, dem Zoll und womöglich auch Geheimdiensten abgefragt. Unter Umständen bedeutet das dann, dass Betroffene ihr Flugzeug nicht besteigen dürfen.

Seit wann weiß die Linksfraktion von diesen Kontrollen und wie hat sie darauf reagiert?

Wir haben hiervon 2011 erfahren, nachdem ein Artikel auf einer US-Regierungswebseite dazu erschienen war. Damals war die Rede von sieben Flug- und 23 Seehäfen in der EU. Seitdem haben wir regelmäßig nachgefragt. An der Praxis hat sich aber nichts geändert. Die Bundesregierung hat damit kein Problem und behauptet, die Beamten seien nicht hoheitlich tätig. Statt dessen würden sie lediglich den Fluggesellschaften helfen, die Risiken von beförderten Passagieren im Vorfeld zu analysieren.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat dem Spiegel gesagt, derzeit seien etwa 40 US-Beamte in Deutschland tätig, die an einigen Airports Fluggesellschaften »beraten« und Passagiere befragen – angeblich auf »freiwilliger Basis«. Stimmt das?

Aus seiner Sicht schon. Faktisch kommt es aber regelmäßig zu Reiseverboten. Denn die »Ratschläge« der US-Beamten kommen einer Anordnung gleich. Wenn die Fluggesellschaft den Betroffenen trotzdem erlaubt, an Bord zu gehen, wird von US-Behörden die Landeerlaubnis oder gar der Überflug verweigert. Das ist natürlich mit hohen Kosten für die Airlines verbunden.

Auf welcher rechtlichen Basis agieren die US-Beamten in der Bundesrepublik?

Zugrunde liegt das Luftverkehrsabkommen zwischen der EU und den USA von 2007, das auch die »Sicherheitskooperation« regelt. Offiziell gehören die Beamten zu den US-Botschaften in den betreffenden Ländern und sind dort als Diplomaten registriert. Die Bundesregierung meint, dass es sich um eine Geschäftsbeziehung, also ein privates Rechtsverhältnis zwischen Airlines und den US-Behörden handelt. Deshalb interessiert sich das Bundesinnenministerium auch nicht dafür, wie viele Personen am Frankfurter Flughafen am Boarding gehindert werden. Ich schätze die Zahl der in der gesamten EU Betroffenen auf 2.000 bis 3.000 pro Jahr.

Das US-Heimatschutzministerium wirbt aktuell in der EU dafür, seine gesamten Einreiseprozeduren auf die europäischen Luftdrehkreuze zu verlagern. Was meint die Bundesregierung dazu?

 

Die Bundesregierung hat sich dazu noch nicht endgültig positioniert. Bezüglich des Datenschutzes sieht es auch nicht rosig aus: Nach der Veröffentlichung vieler NSA-Dokumente durch den Whistleblower Edward Snowden hatten die USA Zugeständnisse bei einem seit langem geplanten Datenschutzabkommen mit der EU für den Polizeibereich angekündigt. Seitdem bewegt sich aber wieder nichts. Hier haken wir immer wieder nach. Verhandelt wird aber erst mal auf EU-Ebene.

Datenschutzrechtlich problematisch ist vor allem, dass die Kriterien für die Einreiseverweigerung nicht öffentlich sind. Betroffene erfahren nicht, in welchen Datensammlungen sie gespeichert sind und welche Konsequenzen das hat. Das weiß nicht einmal die Bundesregierung, auf deren Territorium diese massive Einschränkung der Freizügigkeit stattfindet: Es sei ihr nicht bekannt, mit welchen US-Datenbanken Passagierdaten abgeglichen werden, hat sie auf unsere Anfragen geantwortet.

Übrigens: Wenn US-Behörden ihre Einreisekontrollen in die EU vorverlagern, sparen sie sich die Kosten für den Ausbau eigener Flughäfen.

Interview: Jana Frielinghaus

Junge Welt, 14.10.2014

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