Bei BombardierDer Fiskalpakt ist ein weiterer Schritt der verfehlten Krisenpolitik, die wirtschaftlich unsinnig, undemokratisch und sozial verheerend ist. Die Bankenrettungen in der Krise haben die Staatsverschuldung steigen lassen. Mit dem Fiskalpakt sollen die gestiegenen Staatsschulden durch Ausgabenkürzungen maßgeblich im sozialen Bereich zurückgefahren werden. Damit würden die Arbeitenden und Erwerbslosen für die Krise zahlen, die die Banken zu verantworten haben.

Rede von Andrej Hunko zur Umsetzung des Fiskalpaktes in Deutschland am 19.10.2012 im Bundestag:

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Worüber reden wir heute? Wir reden über die Umsetzung des Fiskalpaktes, der Ende Juni hier im Bundestag zusammen mit dem ESM von den vier Fraktionen mit Mehrheit beschlossen wurde, in nationales Recht.

Was ist der Fiskalpakt? Der Fiskalpakt ist die Institutionalisierung einer völlig verfehlten Krisenpolitik und Krisenanalyse in der Europäischen Union. Das wird jetzt sozusagen in dauerhaftes Völkerrecht gegossen und heute hier im Bundestag in nationales Recht umgesetzt.

Warum ist diese Krisenpolitik verfehlt? Sie basiert auf einer völlig falschen Analyse der Krise in der Eurozone. Wir haben es heute immer wieder gehört. Auch bei dem Gesetzentwurf ist es so. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, es gäbe eine Staatsschuldenkrise aufgrund überhöhter Ausgabenpolitik. Wenn man sich aber einmal die offiziellen Zahlen der Europäischen Zentralbank anschaut, so kann man feststellen, dass die Staatsverschuldung in der Eurozone in der Zeit von 2000 bis 2008 im Durchschnitt tendenziell rückläufig war, nämlich von etwa 73 Prozent auf 67 Prozent im Jahre 2008 zurückgegangen ist, und erst danach als Folge der Finanz- und Bankenkrise stark angestiegen ist.

Wir haben einmal nachgefragt: Woher kommt denn dieser Anstieg? Der Kollege Klaus Ernst hat vor wenigen Wochen gefragt: Um wie viel ist die Staatsverschuldung in Deutschland als Folge der Banken- und Rettungspakete 2008 angestiegen? Antwort: 322,5 Milliarden Euro, kumuliert seit 2008. Das ist die Ursache für den Anstieg der Staatsverschuldung. Das soll jetzt mit dem Gesetz zur Umsetzung des Fiskalpakts durch Kürzungen im Sozialbereich, im Bildungsbereich, im Gesundheitsbereich, im öffentlichen Bereich zurückgeführt werden. Deshalb sagen viele Menschen in Südeuropa das habe ich gerade erfahren : Dieser Fiskalpakt ist ein Pakt zum Angriff auf soziale Rechte, auf Arbeitnehmerrechte. Wir lehnen das ab. Wir lehnen diese völlig verfehlte Krisenpolitik ab.

(Beifall bei der LINKEN - Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Ich würde dabei einmal ein bisschen abrüsten!)

Es ist auch ein Angriff auf demokratische Rechte der Haushaltsgesetzgeber, weil die Budgethoheit verlagert wird. Sie wird zum Teil auf die Ebene der EU-Kommission verlagert. Ein Beispiel dafür ist das strukturelle Defizit. Sie wissen genau, dass die Berechnung des strukturellen Defizits wirtschaftspolitisch sehr umstritten ist. Es gibt unterschiedliche Schulen; man kommt zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Wer hat denn die Definitionsmacht für dieses strukturelle Defizit? Das werden in Zukunft Wirtschaftswissenschaftler der EU-Kommission haben, die nur sehr fragwürdig demokratisch legitimiert sind. Wir sehen das als sehr problematisch an: Das ist kein Mehr an Europa, sondern ein Weniger an Demokratie.

(Beifall bei der LINKEN)

Drittens ist diese Krisenpolitik und Krisenanalyse in der Konsequenz auch sozial verheerend. Wir sehen das in Griechenland und Portugal. Griechenland ich war letzte Woche dort ist am Rande einer humanitären Tragödie.

(Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Quatsch!)

Diese Politik wird jetzt auch zunehmend in den zentraleuropäischen Staaten bzw. in Deutschland umgesetzt. Mit dem Fiskalpakt werden jetzt schon die Sachzwänge geschaffen, auf die sich dann später berufen wird, wenn es um Kürzungen etwa im kommunalen Bereich oder im Länderbereich geht. Wir lehnen das eindeutig ab.

Ich will Ihnen ein aktuelles Beispiel aus meiner Heimatstadt Aachen nennen. Dort hat gestern der älteste Waggonbauer, Bombardier, angekündigt, den Standort mit 600 Arbeitsplätzen zu schließen. Es ist der älteste Waggonbauer in Deutschland. Ich habe mit dem Geschäftsführer gesprochen. Er sagt, die Bahntechnik und die Auftragslage seien gut; die Probleme seien der erhöhte Wettbewerbsdruck und das Wegbrechen der Märkte in Südeuropa. Das sind schon Konsequenzen dieser völlig falschen Politik.

Die Linke wird an der Seite der Menschen stehen, die sich dagegen wehren. Sie können auf unsere Unterstützung vertrauen.

(Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Anscheinend tun sie das nicht!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

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