Die Bundesregierung verhandelt aktuell ein Sicherheitsabkommen mit Mexiko bei dem es nach offiziellen Angaben um die "Verbesserung der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung, Verhütung und Aufklärung schwerer Straftaten der Organisierten Kriminalität, insbesondere der Rauschgift- und Schleuserkriminalität, des Menschenhandels sowie des Terrorismus" gehen soll. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat zu derart Abkommen einen Antrag eingebracht und fordert eine höhere Gewichtung der Menschenrechte. Dies geht jedoch nicht weit genug: Angesichts der katastrophalen Lage der Menschenrechte in Mexiko und anderen Ländern der Region, sollte es keine Sicherheitsabkommen geben. Waffenexporte sollten verboten werden.


Rede von Andrej Hunko (DIE LINKE) zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (19. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Thilo Hoppe, Hans-Christian Ströbele, Tom Koenigs, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: „Für eine Neuorientierung im Umgang mit Gewalt und Organisierter Kriminalität in Mexiko und Zentralamerika – Sicherheitsabkommen unter dem Primat der Menschenrechte gestalten“ > Drucksachen 17/13237, 17/13533 <:

(Es gilt das gesprochene Wort)

 

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,

ich denke in einer Sache sind wir uns weitgehend einig: Die Menschenrechtslage in Mexiko ist äußerst kritisch und hat sich in den vergangenen Jahren weiter verschlechtert. Die Berichte mexikanischer und internationaler Menschenrechtsorganisationen sind besorgniserregend und decken sich in weiten Strecken auch mit den Darstellungen der Bundesregierung. Wir wissen von Folter, die von Menschenrechtsorganisationen als „systematische, allgemeine und straffreie Praxis“ beschrieben wird. Das Land leidet unter einer hohen Mordrate, Gewaltexzessen, extralegalen Tötungen und Verschwindenlassen. Gleichzeitig herrscht eine fast komplette Straflosigkeit für diese Verbrechen. Korruption ist weit verbreitet und die soziale Spaltung hat sich vergrößert. In den meisten mittelamerikanischen Ländern sieht die Lage nicht viel besser aus.

In dieser Situation verhandelt die Bundesregierung ein Sicherheitsabkommen mit Mexiko. Es ist allgemein bekannt, dass Teile des Militärs und viele Polizeieinheiten in Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen verwickelt sind. Wer aber sollen die Kooperationspartner für ein solches Abkommen sein? Es sind eben jene Behörden, die maßgeblich mitverantwortlich für die gefährliche Situation von Menschenrechtsverteidigern sind – sei es durch Passivität oder aktive Verfolgung. Ich denke man sitzt einem Irrglauben auf, wenn man in dieser Situation in den staatlichen Akteuren verlässliche Partner für Kooperationen im Sicherheitsbereich sieht.

Zwar betont die Bundesregierung immer wieder die Wichtigkeit von Menschenrechtsklauseln in Abkommen wie diesem, aber sie muss selbst eingestehen, dass diese in der Regel nur Makulatur sind. Eine Evaluierung biete sich im Rahmen von Verhandlungen über Nachfolgeabkommen oder die Verlängerung bestehender Abkommen an, sagt die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage (DS 17/7301). Im Klartext: Die Lage im betroffenen Land ist ihnen bei Abschluss des Vertrags nicht relevant.

Vor diesem Hintergrund scheint es mir zunächst unterstützenswert, dass der Antrag der Grünen eine klarere und geregelte Evaluierung laufender Abkommen fordert. Dies wäre ein richtiger Schritt in Richtung mehr Transparenz und Überprüfbarkeit. Das Hauptproblem wird dadurch jedoch nicht angegangen. Die Vorstellung, durch Sicherheitsabkommen den Zustand der Polizeien zu verändern, scheint mir illusorisch und ich bin der Meinung, dass keine deutschen Polizisten in Regionen geschickt werden dürfen, in denen eine so desaströse Lage herrscht, wie derzeit in Mexiko. Und das bedeutet, dass es keine derartige Abkommen mit Staaten geben darf, deren Regierungen nicht grundlegende Rechte ihrer Bevölkerung garantieren und deren Sicherheitsapparate Teil des Problems und nicht Teil der Lösung sind.

Dabei stimme ich auch mit den Organisationen überein, die sich in der Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko zusammengeschlossen haben, darunter Amnesty International Deutschland, Brot für die Welt und Misereor, um nur einige zu nennen. In einem im Januar 2012 veröffentlichten Positionspapier haben sie der Bundesregierung unmissverständlich dazu geraten, das Sicherheitsabkommen mit Mexiko abzulehnen. Zuvor müsse in Mexiko ein „Politikwandel in Sachen Menschenrechte“ eintreten.

Die Bundesregierung scheint jedoch das Pferd von hinten aufzäumen zu wollen: Durch die Kooperation will sie Einfluss nehmen, ohne im Voraus Bedingungen zu stellen. Leider gilt dasselbe für den Antrag der Grünen. Ich bin überzeugt, dass dies zu einem PR-Effekt für die mexikanische Regierung führen wird, sich an der Situation dort aber wenig ändern wird. Und ich muss ehrlich sagen, dass ich nicht verstehen kann, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, das konkrete Abkommen der Bundesregierung mit Mexiko in ihren Forderungen völlig ignorieren.

Abschließend möchte ich auf einen weiteren Punkt eingehen, der meiner Meinung nach zu kurz greift. Angesichts der Lage in Mexiko haben die illegalen Lieferungen von Sturmgewehren durch Heckler & Koch zurecht zu breiter Empörung geführt. Sie sind aber nur die Spitze des Eisbergs. Im behandelten Antrag fordern Sie eine vorübergehende Aussetzung von Waffenlieferungen nach Mexiko. Waffenlieferungen werden aber keine Probleme lösen, weder in Mexiko noch sonstwo. Deshalb sehen wir ein lediglich vorübergehendes Aussetzen der Waffenverkäufe als nicht weitgehend genug an. Wir stehen für einen generellen Stopp der Rüstungsexporte.