Bundestagsrede (zu Protokoll) von Andrej Hunko (DIE LINKE) zum Antrag auf Drucksache 18/10863 („US- und NATO-Stützpunkt Ramstein unverzüglich schließen“) am 19.01.2017

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Die Bundesregierung hat eingeräumt, nunmehr offiziell über den Stützpunkt Ramstein als Relaisstation für den US-Drohnenkrieg informiert zu sein.
Drei Jahre hat sich das Auswärtige Amt weggeduckt vor den Medienberichten über die Bedeutung Ramsteins und des AFRICOM-Kommandos in Stuttgart für völkerrechtswidrige außergerichtliche Hinrichtungen, die von den Piloten aus einer entfernten Drohnenbasis in Nevada per Knopfdruck vorgenommen werden.

Dabei hatte es bereits eine Reihe von Zeugenaussagen ehemaliger Drohnenpiloten zur Bedeutung der Stützpunkte in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gegeben. Ich meine nicht nur Brandon Bryant, den bekanntesten US-Whistleblower im Drohnenkrieg.

Sondern ich meine auch jene Drohnenpilotinnen und -piloten, die in den Film „National Bird“ interviewt wurden. Der Film lief erstmals vor einem Jahr bei der Berlinale. Die Protagonisten hatten bekräftigt, dass Ramstein nicht nur eine Relaisstation beherbergt. Die Anlage gehört auch zum Netzwerk der „Distributed Ground Stations“, in denen die ferngesteuerten Luftschläge vorbereitet, durchgeführt und ausgewertet werden.

Meine Damen und Herren, offensichtlich hat niemand aus der Bundesregierung den Film von Sonia Kennebeck gesehen, denn im Auswärtigen Amt war man sich der Rolle Ramsteins und Stuttgarts angeblich bis zum August 2016 nicht bewusst. Ich kann den Film aber wirklich dringend empfehlen, denn er ist auch ein Werk über die Wichtigkeit von Whistleblowern.

Ohne die mutigen Aussagen der Ex-Militärs wüssten wir nicht, wie so eine außergerichtliche Hinrichtung abläuft. Wir wüssten auch nichts über die Unmöglichkeit, die doch eher unscharfen Drohnenbilder mit hinreichender Sicherheit auszuwerten um dann die Liquidierung der Ziele anzuordnen.
Und wir wüssten nichts über die äußerst hohe Selbstmordrate unter den Drohnenpilotinnen und –piloten, die das ständige Töten aus der Ferne nicht aushalten. Häufig wählen sie den Tod, weil sie keine geheimschutzüberprüften Therapeuten für ihre Stressbewältigung finden. Ich finde, auch daran trägt die Bundesregierung durch die Ermöglichung einer solchen Praxis eine Mitverantwortung.

Zum zweiten Mal reden wir also heute über die Beteiligung Deutschlands am völkerrechtswidrigen US-Drohnenkrieg. Im August wurde die Bundesregierung über die Rolle Ramsteins informiert. Im November war dies hier in der Fragestunde erstmals Thema. Im Dezember debattierten wir darüber. Die Hälfte der Bundesbürger lehnt Deutschlands Ermöglichung des US-Drohnenkrieg via Ramstein ab, während nur 26% diese Ermöglichung Aufrecht erhalten wollen. Dies ergab eine repräsentative Umfrage, die der Journalist und Podcaster Tilo Jung nach dieser Debatte beauftragte.

Nun ist es nicht so, dass die völkerrechtswidrige Praxis im Namen der Terrorismusbekämpfung seit unserer parlamentarischen Befassung ein Ende gefunden hätte. Im Gegenteil finden weiterhin außergerichtliche Hinrichtungen durch Drohnen statt, zuletzt vor einer Woche im Jemen.
Schauen Sie auf der Webseite des Büros für investigativen Journalismus vorbei. Die Nichtregierungsorganisation trägt dort die Zahlen von US-Drohneneinsätzen zusammen. Daraus geht hervor, dass die Administration von US-Präsident Barack Obama zehn Mal mehr unbemannte Operationen anordnete als sein Vorgänger George Bush.

Bislang hat sich das Auswärtige Amt immer herausgeredet, die außergerichtlichen Hinrichtungen seien Einzelfälle, denn eigentlich sei es im Krieg kein Unterschied ob eine Rakete von einem bemannten Kampfflugzeug oder einer Drohne abgefeuert wird.

Das ist Augenwischerei, denn viele Drohnenangriffe der US-Regierung werden gar nicht in Kriegshandlungen, sondern außerhalb bewaffneter Konflikte durchgeführt. Wie zum Beispiel im Jemen. Damit sind sie eindeutig völkerrechtswidrig.

Was hier noch nicht zur Sprache kam: Das Auswärtige Amt hat die völkerrechtlichen Drohnenangriffe sogar verteidigt, wenn sie deshalb selbst vor Gericht stand. So beispielsweise im Mai 2015 vor dem Verwaltungsgericht in Köln, das die Klage einer jemenitischen Familie verhandelte.

Das Verfahren richtete sich gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesverteidigungsministerium. Es sollte festgestellt werden, dass das Unterlassen von Maßnahmen zur Unterbindung der Nutzung des Stützpunktes Ramstein rechtswidrig ist.

Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen. Damit hatte das Verteidigungsministerium Erfolg wenn es vor Gericht behauptete, ihm lägen gar keine gesicherten Erkenntnisse darüber vor, dass Ramstein für die Drohneneinsätze genutzt werde. Dies habe die US-Regierung, mit der sie in einem intensiven Dialog stehe, stets bekundet.

Meine Damen und Herren, ich finde das infam. Nicht nur dass man sich jahrelang vor der Wahrheit wegduckt. Sondern den Opfern solcher Drohnenangriffe auch noch vor Gericht frech ins Gesicht lügt. Zum Glück geht das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster in die nächste Instanz.

Die Enthüllungen über die Rolle Ramsteins führen zu keinen politischen Konsequenzen, weil die Bundesregierung gegenüber der US-Regierung die Auseinandersetzung mit offenem Visier scheut. Ich bin gespannt ob sich diese Praxis gegenüber dem neuen US-Präsidenten ändert.

DIE LINKE fordert weiterhin die Bundesregierung auf, die Nutzung der Ramstein Air Base für den US-Drohnenkrieg aufzukündigen, auf die eigene Entwicklung deutscher Kampfdrohnen zu verzichten und sich bei der UNO für eine Drohnenresolution einzusetzen, die zumindest die Praxis der extralegalen Hinrichtungen weltweit ächtet.

Quelle: Plenarprotokoll 18/212