Rede von Andrej Hunko (MdB DIE LINKE) zu Tagesordnungspunkt 22, 26.01.2017: Beteiligung der Republik Albanien sowie der Republik Serbien als Beobachter an den Arbeiten der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,

bei der Einrichtung der Grundrechteagentur im Jahr 2007 nannte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International diese einen „zahnlosen Tiger“. Der Grund: Sie bringe praktisch keinen Nutzen bei der Wahrung der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger, ihr Mandat sei zu beschränkt und es deute vieles darauf hin, dass die Struktur vor allem darauf ausgelegt ist, dass sich die Mitgliedstaaten in Sachen Grundrechte nicht reinreden lassen wollen. Dies hat sich seitdem weitgehend bestätigt. Dennoch hat die Agentur seit ihrer Gründung dreistellige Millionenbeträge gekostet.

Ich möchte noch einmal an die Bundestagsdebatte bei der Gründung der Agentur erinnern. Damals gab es erstaunlich wenige Meinungsverschiedenheiten und erstaunlich viele haben unsere Kritik geteilt. Denn heute wie damals gilt, dass die eben genannten Millionenbeträge in anderen Institutionen wesentlich besser aufgehoben gewesen wären. Insbesondere der Europarat bietet ausgereiftere, erfahrenere und effektivere Institutionen zum Schutz der Grundrechte. Nicht umsonst gibt es die Europäische Menschenrechtskonvention und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der sie durchsetzen soll. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates mit ihren Monitoringverfahren wacht über die Einhaltung der Grundrechte in den Mitgliedstaaten. Doch eines haben sie alle gemeinsam: Sie sind chronisch unterfinanziert. Es ist vor allem deshalb ein riesiges Problem, dass der EGMR einen Rückstau von zehntausenden Verfahren bearbeiten muss.

Doch anstatt den Europarat endlich mit mehr Mitteln auszustatten, gingen die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten in die andere Richtung. Unter Zustimmung der Bundesregierung setzten sie auf eine teilweise Dopplung der vorhandenen Strukturen – möglicherweise war dies auch in einer potentiellen Schwächung des Europarates motiviert. Denn es wurde nicht allein die Grundrechteagentur als unzureichende Parallelstruktur geschaffen; auch hat die EU den vertraglich vorgeschriebenen Beitritt zur Menschenrechtskonvention bis heute nicht vollzogen. Es sind diese Vorgänge, die mich doch sehr am wirklichen Willen der EU für den Grundrechteschutz zweifeln lassen. Es drängt sich der Eindruck auf, dass durch die Parallelstrukturen eine Definitionsmacht über Menschenrechtspolitik bei der EU verankert werden soll. In der Konsequenz bedeutet dies, dass der Europarat mit seinen Strukturen weiter geschwächt wird. Dies kritisieren wir aufs Schärfste.

Nun existiert die Grundrechteagentur aber seit knapp zehn Jahren, sie ist eine Realität. Heute beraten wir die Frage, ob der deutsche Vertreter im Rat der EU zustimmen darf, dass Albanien und Serbien Beobachterstatus in der Grundrechteagentur bekommen. Dieser Schritt steht selbstverständlich im Kontext eines möglichen EU-Beitritts der beiden Länder. Auch wenn wir aufgrund der neoliberalen Verfasstheit der EU und ihren militaristischen Tendenzen einen Beitritt kritisch sehen, so ist für uns immer klar gewesen: Wir stellen uns einem solchen Schritt nicht in den Weg, wenn er von der Bevölkerung der betroffenen Länder gewollt ist. Dazu stehen wir.

Wir halten auch an der grundsätzlichen Kritik an der Unzulänglichkeit der Grundrechteagentur fest. Doch scheint mir, dass die Frage des Beobachterstatus Serbiens und Albaniens nicht der Ort ist, unsere Kritik an der Grundrechteagentur und der EU in abweichendem Abstimmungsverhalten zu äußern. Aus diesem Grund stimmen wir dem vorliegenden Gesetzentwurf zu.

Quelle: Plenarprotokoll 18/215