Frage: Inwieweit verfolgt die Bundesregierung die Situation rund um den Anstieg von Insolvenzen von Pflegeanbietern bundesweit und in Nordrhein-Westfalen (Verfünffachung der Zahl von Insolvenzen, vgl. www.haeusliche-pflege.net/zahl-der-pflege-insolvenzen-in-nrw-verfuenffacht/), und unternimmt sie konkrete Anstrengungen (ggf. auch gemeinsam mit den Bundesländern), um diesem Trend entgegenzuwirken und eine flächendeckende Pflegeversorgung zu gewährleisten, ohne zugleich die Tarifbindung zu gefährden und die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte weiter zu verschlechtern, und wenn ja welche, und wenn nein, warum nicht?
Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Edgar Franke: Die Pflegekassen haben im Rahmen ihrer Leistungsverpflichtung eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse entsprechende pflegerische Versorgung der Versicherten zu gewährleisten (Sicherstellungsauftrag). Sie schließen hierzu Versorgungsverträge sowie Vergütungsvereinbarungen mit den Trägern von Pflegeeinrichtungen und sonstigen Leistungserbringern. Gemäß § 9 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) obliegt den Ländern die Verantwortung für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur.
Das Nähere zur finanziellen Förderung der Investitionskosten der Pflegeeinrichtungen wird durch landesrechtliche Vorgaben bestimmt. Dafür sollen die Länder nach § 9 Satz 3 SGB XI Einsparungen einsetzen, die den Trägern der Sozialhilfe durch die Einführung der Pflegeversicherung (jährlich) entstehen. Ein vom Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegebener Bericht gibt einen differenzierten Überblick über die verschiedenen Fördermaßnahmen in den einzelnen Ländern im Jahr 2022. Über eine Intensivierung ihrer Fördermaßnahmen können die Länder die Entwicklung der pflegerischen Versorgungsstruktur entsprechend den jeweiligen Bedarfslagen beeinflussen.
Darüber hinaus hat die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode wesentliche Schritte unternommen, um ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen zu unterstützen:
Die Kosten der Covid-19-Pandemie – pandemiebedingte Mindereinnahmen und Mehrausgaben, Prämien und Testkosten – wurden den Einrichtungen über einen langen Zeitraum vollständig über die soziale Pflegeversicherung erstattet, wofür diese erhebliche Steuerzuschüsse erhalten hat. Damit konnte die langzeitpflegerische Versorgung auch in der Pandemie sichergestellt werden. Ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen wurden dafür über die Pflegeversicherung mit mehr als 13 Milliarden Euro unterstützt.
Die Bundesregierung hat dafür gesorgt, dass die Pflegeeinrichtungen mit Blick auf die in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine gestiegenen Energiekosten neben den allgemeinen Energiepreisbremsen und der Übernahme des Dezember-Abschlags 2022 auch Ergänzungshilfen zum Ausgleich steigender Preise für Erdgas, Wärme und Strom erhalten. Hierdurch wird stationären Pflegeeinrichtungen zwischen Oktober 2022 und April 2024 aus einem besonderen Hilfsfonds die gesamte Differenz zwischen gestiegenen Energiekosten und Abschlagszahlung vor Beginn der Krise erstattet. Dafür hat der Bundesgesetzgeber insgesamt Mittel im Umfang von bis zu 2 Milliarden Euro bis April 2024 bereitgestellt. Damit ist auch sichergestellt, dass die Pflegebedürftigen nicht mit den entsprechenden Kosten belastet werden.
Mit dem Gesetz zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz; PUEG) vom 23. Juni 2023 werden die Leistungsbeträge und Zuschläge der Pflegeversicherung in der häuslichen wie in der stationären pflegerischen Versorgung in mehreren Schritten deutlich erhöht. Eine erste Anhebung ist bereits zum 1. Januar 2024 in Kraft getreten. Damit werden die Pflegebedürftigen vom gestiegenen Kostendruck entsprechend entlastet. Gleichzeitig wurden mit dem Gesetz verschiedene Erleichterungen und Unterstützungsmaßnahmen für die Pflegeeinrichtungen auf den Weg gebracht (zum Beispiel Förderung von Maßnahmen der Digitalisierung, Möglichkeit der Refinanzierung von Springerpools und der Anwerbekosten bei Pflegekräften aus dem Ausland).
Aktuell prüft das Bundesministerium für Gesundheit zudem weitere Maßnahmen zur Verbesserung und Sicherstellung der pflegerischen Versorgung sowie die Umsetzung noch ausstehender Aufträge aus dem Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Dabei wird auch geprüft, einen Schwerpunkt auf Verfahrensvereinfachungen im Pflegevertrags- und Vergütungsrecht zu legen, um die regelmäßigen Vereinbarungsverfahren zu optimieren und den Abschluss entsprechender Pflegesatz- und Pflegevergütungsvereinbarungen zu beschleunigen, die einen Beitrag zur Liquiditätssicherung der Pflegeeinrichtungen leisten können.
Für das Nähere zu den Maßnahmen der Bundesregierung wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU – Drucksache 20/10837, „Insolvenzwelle im Pflegebereich und Rahmenbedingungen im Pflegesektor“ – auf Drucksache 20/10990 vom 10. April 2024 verwiesen.