Frage:Welche konkreten Kenntnisse (auch nachrichtendienstliche) hat die Bundesregierung darüber, dass bei dem Luftangriff der israelischen Streit-kräfte auf Rafah, wie von Regierungssprecher Steffen Hebestreit behauptet, "auf alle Fälle ein Fehler passiert" sei und es kein gezielter Angriff gewesen sein könne (www.zeit.de/politik/2024-05/israel-angriff-rafah-bundesregierung-reaktion), und welche weiteren Kenntnisse (auch nachrichtendienstliche), die verifiziert werden konnten, hat die Bundesregierung über den Luftangriff der israelischen Streitkräfte auf Rafah?
Antwort: Laut israelischen Angaben galt der Luftschlag in Rafah zwei Kommandeuren der Hamas. Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu sprach mit Blick auf die Konsequenzen von einem „tragischen Fehler". Darüber hinaus kann die Antwort auf die Frage nicht offen erfolgen. Eine Einstufung der Antwort auf die Frage als VS-NfD ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf das Staatswohl erforderlich.
Nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen Geheimschutz (Verschlusssachenanweisung, VSA) sind Informationen, deren Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein können, entsprechend einzustufen. Eine Offenlegung der angefragten Informationen birgt die Gefahr, dass Einzelheiten zur Erkenntnislage des Bundesnachrichtendienstes (BND) bekannt würden, insbesondere da sich hieraus Rückschlüsse über Aufklärungsansätze und Aufklärungsschwerpunkte ableiten lassen. Infolgedessen könnten sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Akteure Rückschlüsse auf spezifische Vorgehensweisen und Fähigkeiten des BND ziehen. Eine solche Veröffentlichung von Einzelheiten ist daher geeignet, zu einer Verschlechterung der dem BND zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Informationsgewinnung zu führen. Dies kann für die wirksame Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Nachrichtendienste und damit für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nachteilig sein.
Diese Informationen werden daher als VS – Nur für den Dienstgebrauch eingestuft und dem Deutschen Bundestag gesondert übermittelt.
Darüber hinaus kann ein Teil der Beantwortung auch nicht in eingestufter Form erfolgen, da die Beantwortung der Frage solche Informationen betrifft, die in besonders hohem Maße das Staatswohl berühren. Das verfassungsrechtlich verbürgte Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung findet seine Grenzen in den gleichfalls Verfassungsrang genießenden schutzwürdigen Interessen des Staatswohls. Eine Offenlegung der angefragten Informationen birgt die Gefahr, dass Einzelheiten zur konkreten Methodik und zu in hohem Maße schutzwürdigen spezifischen Fähigkeiten des Bundesnachrichtendienstes bekannt würden. Infolgedessen könnten sowohl staatliche als auch nicht-staatliche Akteure Rückschlüsse auf spezifische Vorgehensweisen und Fähigkeiten des BND ziehen. Dies könnte folgenschwere Einschränkungen der Informationsgewinnung zur Folge haben, womit letztlich der gesetzliche Auftrag des BND - die Sammlung und Auswertung von Informationen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind - nicht mehr sachgerecht erfüllt werden könnte. Die Gewinnung von auslandsbezogenen Informationen ist für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und für die Aufgabenerfüllung des BND jedoch unerlässlich. Sofern solche Informationen entfallen oder wesentlich zurückgehen sollten, würden empfindliche Informationslücken auch im Hinblick auf die Sicherheitslage der Bundesrepublik Deutschland drohen.
Zudem würde eine Offenlegung der angeforderten Informationen und Auskünfte die konkrete Gefahr bergen, dass Einzelheiten bekannt würden, die unter dem Aspekt des Schutzes der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern besonders schutzbedürftig sind. Eine öffentliche Bekanntgabe von Informationen zu Einzelheiten der Kontakthaltung zu bestimmten ausländischen Partnerdiensten sowie zu deren Leistungsfähigkeit und Ausrichtung und die damit einhergehende mögliche Kenntnisnahme durch Unbefugte würde erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit des BND mit ausländischen Nachrichtendiensten haben. Würden in der Konsequenz eines Vertrauensverlustes Informationen von ausländischen Stellen entfallen oder wesentlich zurückgehen, entstünden signifikante Informationslücken mit negativen Folgewirkungen für die Genauigkeit der Abbildung der Sicherheitslage in der Bundesrepublik Deutschland sowie im Hinblick auf den Schutz deutscher Interessen im Ausland.
Eine VS-Einstufung und Hinterlegung der angefragten Informationen in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages würde ihrer erheblichen Brisanz im Hinblick auf die Bedeutung für die Aufgabenerfüllung des Bundesnachrichtendienstes nicht ausreichend Rechnung tragen. Die angefragten Inhalte beschreiben die Beziehungen des Bundesnachrichtendienstes so detailliert, dass sich daraus unmittelbar oder mittelbar Rückwirkungen auf die Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten ergeben könnten. Eine Bekanntgabe dieser Informationen, auch gegenüber einem begrenzten Kreis von Empfängern, kann dem Schutzbedürfnis somit nicht Rechnung tragen, da bei einem Bekanntwerden der schutzbedürftigen Information kein Ersatz durch andere Instrumente der Informationsgewinnung möglich wäre.
Aus dem Vorgesagten ergibt sich, dass die erbetenen Informationen derart schutzbedürftige Geheimhaltungsinteressen berühren, dass das Staatswohl gegenüber dem parlamentarischen Informationsrecht wesentlich überwiegt. Insofern muss ausnahmsweise das Fragerecht der Abgeordneten gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse der Bundesregierung zurückstehen.