Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

„Wir sehen kein Verbesserungspotenzial und lehnen sie komplett ab!“

Gespräch mit Andrej Hunko, gesundheitspolitischer Sprecher der BSW-Bundestagsgruppe zur Krankenhausreform von Karl Lauterbach, in Soziale Politik & Demokratie Nr. 509/510 vom 12.07.2024

Die Gruppe des Bündnisses Sahra Wagenknecht hat im Bundestag den Antrag eingebracht, die Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Lauterbach zu stoppen. Dazu fand am 12. Juni eine erste Debatte im Bundestag statt.

Die Regierungsparteien und selbst die oppositionelle CDU zeigten sich überrascht darüber, dass es das BSW überhaupt wagte, einen Antrag zu stellen. Die diversen Gesundheitsexperten aus ihren Reihen, die das Wort ergriffen, reagierten konsterniert, dass das BSW sich nicht in die übliche Art und Weise der Expertendiskussion eingereiht hatte. Das sind sie offensichtlich nicht gewohnt. Bei aller Kritik stellten sie sich alle mehr oder minder hinter Lauterbach und eine komplette Ablehnung der Reform kam für sie nicht in Frage. Das machte der CDU-Abgeordnete Monschau klar, der in Richtung des BSW sagte: „Der Antrag des BSW spricht von einem ungeordneten Sterben und „einer staatlich organisierten Insolvenz“ der Krankenhäuser. Hier wird deutlich, dass es der Gruppe BSW nicht um sachliche Kritik geht, son-dern um die Durchsetzung einer ideologischen Agenda. Die Privatisierung und Effizienzsteigerung im Gesundheitswesen werden verteufelt, ohne Alternativen anzubieten. Anstatt sinnvolle Reformen zu blockieren, sollte die Gruppe BSW konstruktive Vorschläge machen, wie wir unser Gesundheitssystem tatsächlich verbessern können. Den Antrag lehnen wir daher ebenfalls ab.“ Der Antrag des BSW wurde zunächst in die Ausschüsse verwiesen und kommt zu einer endgültigen Abstimmung in den nächsten Wochen zurück in das Bundestagsplenum. Der Bundestagsabgeordnete und gesundheitspolitische Sprecher des BSW, Andrej Hunko hat den Antrag eingebracht. Wir haben ihn dazu befragt.

Frage: Andrej, die Regierungsparteien und die CDU haben der BSW-Gruppe vorgeworfen, sie würde „ideologisch“ auf die Situation in den Krankenhäusern reagieren. Was sagst Du dazu?
Andrej: Nun, bekanntlich zeigen drei Finger auf einen selbst zurück, wenn man mit dem Finger auf jemand anderes zeigt. Ideologisch verhalten sich ja doch eher diejenigen, die krampfhaft alles tun, an einer auf Privatisierung und Profitförderung ausgerichteten Gesundheitspolitik festzuhalten – selbst dann, wenn genau ein solcher über Jahrzehnte gefahrener Politikansatz das Gesundheits- und vor allem das Krankenhaussystem offensichtlich in eine seiner schwersten Krisen getrieben hat.


Welche Konsequenzen hätte es aus deiner Sicht, wenn Lauterbachs Krankenhausreform durchkommt?
Mit dieser Reform droht bis zu 400 Krankenhäusern in Deutschland die Schließung. Durch den gewollten Konkurrenzdruck droht eine schleichende kalte Strukturreform insbesondere in der Fläche, die zu einem massiven Bettenabbau führen wird. Erkennbares Ziel von Gesundheitsminister Lauterbach ist eine Beschleunigung des Prozesses der Kon-zentration hin zu wenigen hoch spezia-lisierten Kliniken. Eine Notfallversorgung wird es so künftig nur noch an knapp 60 Prozent der Standorte geben. Man kann sich vorstellen, wie schwierig es werden wird, dort ohne lange Warte-zeiten Termine zu bekommen – mal abgesehen davon, dass die Menschen immer weitere Wege auf sich werden nehmen müssen, wenn das Krankenhaus um die Ecke nicht mehr existiert. Klar im Vorteil werden da die finanzstarken, zumeist privaten oder öffentlich privaten Einrichtungen und Krankenhauskonzerne sein. Die Reform sieht eine parallele Stärkung der ambulanten Versorgung vor. Was auf den ersten Blick sich gut anhört, wird durch diese Reform aber dazu führen, dass auch die ambulanten Strukturen immer stärker vom Private Equity Finanzkapital übernommen und gelenkt werden. Profite und nicht das Wohl der Patienten sind hier in der Regel die oberste Richtschnur, ganz zu schweigen von der Macht und Kontrolle, die sich so in immer wenigeren Händen konzentrieren wird. Da ein Kahlschlag in der Krankenhauslandschaft die sogar gewollte Konsequenz dieser Reform ist, sehen wir kein Verbesserungspotenzial und lehnen sie als BSW komplett ab.

In vielen Städten und Gemeinden mobilisieren sich Betroffene, Bürger, Ge-werkschafter gegen die Schließung von Krankenhäusern. Du hast in deiner Bundestagsrede auch die bundesweite Petition von Krankenhausbeschäftigten erwähnt, deren Forderungen ihr aufgegriffen habt. Wie kann das BSW aus deiner Sicht diesen Widerstand weiter unterstützen?
Wir werden die Sorgen, Nöte der Menschen als Sprachrohr in den politischen Betrieb tragen und uns für einen Stopp dieser lauterbachschen Krankenhausreform stark machen. Wir verneinen nicht, dass es eine Reform braucht, aber hierzu braucht es zuallererst einmal eine neue Zieldefinition: Die Rettung und Stärkung einer bedarfsorientierten und qualitativ hochwertigen Basisgesundheitsversorgung in der Fläche und möglichst wohnortnah. Ein starkes BSW in den kommenden Landtagswahlen wäre sicher auch die beste Voraussetzung, um diese Reform noch zu stoppen und in einem zweiten Schritt dann mit der Bevölkerung und den Beschäftigten uns für eine tatsächsächliche Stärkung unseres Gesundheitssundheitssystems einzusetzen.

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko