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Besorgniserregende Eskalation der Situation durch die Türkische Regierung nach den Wahlen in der Türkei

Pressemitteilung von Jürgen Klute (MdEP, Die Linke), Andrej Hunko (MdB und Wahlbeobachter der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, Die Linke), Ingrid Remmers (MdB), Bärbel Beuermann (MdL NRW), Martin Dolzer (Dipl. Soz.) und Rechtsanwältin Britta Eder

Mit großer Besorgnis müssen wir feststellen, dass die Türkische Regierung und staatliche Behörden auch nach den Parlamentswahlen 2011 in der Türkei an einer Politik der Destabilisierung des Landes festhalten.

Der Hohe Wahlrat (YSK) der Türkei hat am Dienstag, den 21.06.2011, dem unabhängigen Kandidaten aus Diyarbakir, Hatip Dicle, das Mandat entzogen. H. Dicle wurde von 77 709 WählerInnen direkt in die Türkische Nationalversammlung gewählt.

In der Türkei besitzen auch Inhaftierte das passive Wahlrecht – und werden im Falle einer Wahl aufgrund der so erlangten Immunität entlassen. Der Politiker, der bereits in den 90er Jahren, gemeinsam mit Leyla Zana eine 10 jährige Haftstrafe wegen kurdisch Sprechens im Parlament verbüßte, wurde im Rahmen des KCK Prozesses, aufgrund rechtlich unhaltbarer Vorwürfe, erneut inhaftiert. Bereits direkt vor der Wahl hatte die YSK Hatip Dicle zunächst von der Wahl ausgeschlossen, ihn jedoch nach Protesten wieder zugelassen.

„Während von kurdischer Seite eine Verlängerung des einseitigen Waffenstillstands verkündet und das Wahlergebnis, trotz dokumentierter Unregelmäßigkeiten, als Eckpfeiler für friedliche und demokratische Entwicklungen gedeutet wurde, hält die Regierung offenbar an einer Politik der Destabilisierung fest,“ kommentiert Jürgen Klute das Geschehen.

„Bereits vor den Wahlen wurden innerhalb von 3 Monaten mehr als 2000 Menschen aus dem Umfeld der Partei für Frieden und Demokratie (BDP) und dem Wahlblock für Arbeit, Demokratie und Freiheit festgenommen und nahezu täglich Militäroperationen durchgeführt. Der Entzug des Mandats von Hatip Dicle und bisher über 70 Festnahmen nach den Wahlen, lassen wenig Willen der Regierung zu einer, für eine friedliche Entwicklung, notwendigen Entspannung der Situation erkennen,“ so Andrej Hunko.

„Jetzt, nach den Parlamentswahlen, wäre es ein deutliches Signal auch seitens der Türkischen Regierung, entscheidende Schritte für eine Demokratisierung und eine friedliche Lösung der kurdischen Frage zu unternehmen. Dazu wäre die Anerkennung des demokratischen Willens der kurdischen Bevölkerung eine Voraussetzung,“ so Bärbel Beuermann.

„Der Entzug des Mandats von Hatip Dicle stellt einen Angriff auf den geäußerten demokratischen Willen der Bevölkerung da. Erneut zeigt sich das es große Demokratiedefizite in der Türkei gibt. Europa muss endlich zur Kenntnis nehmen, dass die sogenannten Reformen von Ministerpräsident Erdogan zu einem Präsidialsystem und weiterem Zentralismus führen. Dies ist nicht im Sinne einer Demokratisierung und schädlich für den Weg der Türkei nach Europa.“, so Ingrid Remmers.

In diesem Sinne würden wir die, aufgrund eines eingelegten Widerspruches mögliche Revidierung der Entscheidung des YSK und die Anerkennung des Mandates von Hatip Dicle, als einen wichtigen Schritt zu einer perspektivischen friedlichen und demokratischen Entwicklung der Türkei begrüßen.