In Kolumbien gehen seit Wochen zehntausende Menschen auf die Straße, um gegen soziale Missstände und die Regierung von Präsident Iván Duque zu demonstrieren. Ausgelöst wurden die Proteste durch die Ankündigung einer von Vielen als äußerst ungerecht empfundenen Steuerreform. Militär und Polizei haben zuletzt mit extremer Gewalt auf die Proteste reagiert. Aus diesem Grund haben sich Abgeordnete der LINKEN aus dem Bundestag, dem Europaparlament sowie aus Landes- und Kommunalparlamenten sowie andere Mitglieder der LINKEN und von Linksjugend ['solid] an den kolumbianischen Präsidenten und die dortigen Behörden gewandt. Gemeinsam fordern sie ein Ende der Gewalt gegen den Bevölkerung und die Aufarbeitung und Verfolgung der Verbrechen.

An den Präsidenten der Republik Kolumbien Iván Duque Márquez
An den Kongress der Republik Kolumbien
An den Generalstaatsanwalt der Nation
An den Ombudsmann der Republik Kolumbien
An die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland

 

ÖFFENTLICHE ERKLÄRUNG

Wir, die unterzeichnenden Parlamentarier:innen und Aktivist:innen der Partei DIE LINKE in Deutschland, fordern einen sofortigen Stopp des Massakers an der kolumbianischen Bevölkerung durch die Sicherheitskräfte (Polizei und Armee) und begründen dies wie folgt:

Mit tiefem Schmerz und Empörung verurteilen wir das brutale Vorgehen von Polizei und Militär, insbesondere der Mobilen Anti-Aufruhr-Staffel (ESMAD) der Polizei, und wir informieren die Bevölkerung in ganz Deutschland über die massive Repression gegen das kolumbianische Volk, dass seit dem 28. April 2021 in massiven Mobilisierungen in einem unbefristeten nationalen Streik auf die Straße gegangen ist, der bis heute, den 31. Mai, andauert trotz der brutalen Repression, die folgende erschreckende Zahlen (zum 20.5.2021) hinterlassen hat:

Mehr als 60 Menschen wurden getötet, mehr als 1.502 verletzt, mehr als 40 Menschen an den Augen verstümmelt, mehr als 20 Opfer sexueller Gewalt, 1.365 willkürliche Verhaftungen, mehr als 548 Verschwundene und mehr als 1.740 Fälle von Polizeigewalt gegen Menschenrechtsverteidiger und Journalisten. (https://defenderlalibertad.com/boletin-informativo-10-paronacional/)

Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war die Ankündigung einer Steuerreform, die besonders katastrophale Auswirkungen auf die Unterschicht haben würde. Der Verbrauch von Lebensmitteln, Energie und Wasser würde mit 19 Prozent besteuert werden. Gleichzeitig war eine Gesundheitsreform im Gange, die das öffentliche Gesundheitssystem abbauen sollte. Sie wollten auch Menschen, die etwas mehr als den Gegenwert von zwei Mindestlöhnen (ca. 550 Euro) verdienen, mit einer Einkommenssteuer belegen.

Diese Maßnahmen sollten den Gegenwert von etwa 5,4 Milliarden Euro aufbringen, die die Regierung nach eigenen Angaben „zur Linderung der Pandemie“ investiert hatte, und damit den Gegenwert von etwa 4 Milliarden Euro zurückgewinnen, den die Regierung dem privaten Finanzsektor gegeben hatte, damit dieser angeblich über Liquidität zur Finanzierung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) verfügt, die 80 Prozent der formellen Beschäftigung in Kolumbien ausmachen. Aber selbst dieses Geld ging nicht an die KMUs, sondern an die großen Unternehmen im Land. Mit den anderen 1,4 Milliarden Euro reduzierte sich die soziale Investition auf kleine Lebensmittelpakete für einen winzigen Teil der Bevölkerung und einige Almosen von 50 Euro im Monat für extrem Arme. Damit will sich die Regierung über „soziale Investitionen“ profilieren, während Sie das Mindesteinkommen von 211 Euro ablehnen, das zuvor eine Gruppe von Parlamentariern im Kongress für die extrem Armen Leute eingefordert hatte.

7,5 Millionen Menschen in Kolumbien leben in extremer Armut. Ein Prozent der Bevölkerung besitzt fast 81 Prozent des Ackerlandes, etwa die Hälfte der Bevölkerung gilt als arm. Der Mindestlohn beträgt 211 Euro pro Monat, wird aber in vielen Fällen nicht eingehalten. Die Steuerreform 2019 gewährt großen Unternehmen und privaten Banken Steuererleichterungen, aber, wie bereits erwähnt, würden die Steuern aus dieser neuen Reform auf die Mittel- und Unterschicht abgewälzt werden.

Obwohl angeblich kaum Geld für Sozialausgaben vorhanden ist und trotz der Pandemie, investierte die Regierung im Jahr 2020 mehr als neun Milliarden Dollar in die Rüstung. Dies entspricht 3,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Das Volk erreichte die Rücknahme der ungerechten Steuer- und Gesundheitsreformen sowie den Rücktritt des Finanzministers Alberto Carrasquilla. Ebenso fordert die Bevölkerung mit dem landesweiten Streik ein Ende der andauernden Ermordungen von sozialen und kommunalen Anführern in Stadt und Land (bisher 35 Massaker im Jahr 2021 mit 132 Opfern). Seit der Unterzeichnung der Friedensabkommen zwischen der FARC-EP und dem kolumbianischen Staat im Jahr 2016 wurden bisher mehr als 250 ehemalige FARC-Kämpfer und mehr als 900 soziale Anführer sowie indigene, afrokolumbianische, ländliche und städtische Sozialvertreter getötet. Nicht mitgezählt sind die Todesfälle und andere staatliche Verbrechen, die in diesem Monat begangen wurden.

Angesichts des Drucks der Bevölkerung kündigte Präsident Iván Duque am 2. Mai an, dass er die Steuerreform zurückziehen und einen neuen Text vorlegen würde, aber gleichzeitig ordnete er die totale Militarisierung der Stadt Cali an, um die massiven Konzentrationen von Demonstranten und die Punkte, an denen die Blockaden stattfanden, anzugreifen. Seit dieser Nacht hat die Gewalt gegen die Bevölkerung nicht nur in Cali, sondern im ganzen Land zugenommen.

Viele Videos dokumentierten, wie die ESMAD friedliche Demonstranten angriff, verletzte und tötete, wahllos Tränengas warf, sie mit Bomben und Kugeln betäubte, um die Demonstranten zu zerstreuen, von denen die meisten junge Menschen aus armen Vierteln sind, die, da sie nicht die Mindestvoraussetzungen für ein Leben in Würde haben und nichts mehr zu verlieren haben, ihr Leben für die Zukunft ihres Landes aufgeben.

Aus all diesen Gründen bringen wir unsere tiefe Ablehnung gegenüber der gewaltsamen Unterdrückung der kolumbianischen Regierung gegen die Demonstranten zum Ausdruck und erklären Folgendes:

1. Wir verurteilen die Verbrechen des kolumbianischen Staates aufs Schärfste und fordern ein sofortiges Ende der Polizei- und Militärgewalt gegen die eigene Bevölkerung. Wir fordern, dass das Recht auf sozialen Protest respektiert wird und als Politiker und Parlamentarier aus Deutschland fordern wir die Regierung der Republik Kolumbien auf, die Repression zu beenden und auf die Forderungen der Demonstranten einzugehen. Die systematischen Menschenrechtsverletzungen müssen aufgeklärt und strafrechtlich verfolgt werden.

2. Wir fordern die Einhaltung der Integrität der in der Verfassung verankerten Friedensabkommen. Die Sicherheitsgarantien für ehemalige FARC-Kämpfer und die linke Opposition in Kolumbien müssen respektiert werden.

3. Wir fordern die Bundesregierung auf, die kolumbianische Regierung mit diplomatischen Mitteln aufzufordern, die Gewalt gegen Demonstranten zu beenden, die Menschenrechte zu schützen und den Friedensvertrag umzusetzen.

4. Wir fordern, dass die kolumbianische Regierung der Interamerikanischen Menschenrechtskommission erlaubt, ihr Territorium zu betreten.

5. Wir senden unsere Solidaritätsgrüße an die Menschen in Kolumbien und insbesondere an die Demonstranten im Rahmen des nationalen Streiks.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Andrej Hunko, Bundestagsabgeordneter für DIE LINKE, stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag

Heike Hänsel, Mitglied des Deutschen Bundestages für DIE LINKE

Alexander Neu, Mitglied des Deutschen Bundestages für DIE LINKE

Michael Brandt, Mitglied des Deutschen Bundestages für DIE LINKE

Christine Buchholz, Mitglied des Deutschen Bundestages für DIE LINKE

Tobias Pflüger, Mitglied des Deutschen Bundestages für DIE LINKE

Eva Maria Schreiber, Mitglied des Deutschen Bundestages für DIE LINKE

Zaklin Nastic, Mitglied des Deutschen Bundestages für DIE LINKE

Özlem Alev Demirel, Europaabgeordnete für DIE LINKE

Therese Fiedler, Fraktionsvorsitzende DIE LINKE Altona, Hamburg

Blanca Merz, Mitglied der Fraktion DIE LINKE Altona, Hamburg

Hasan Burgucuoğlu, Mitglied der Fraktion DIE LINKE Altona, Hamburg

Wolfgang Ziegert, Mitglied der Fraktion DIE LINKE Altona, Hamburg

Deniz Celik, Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft. Verantwortlich für Gesundheit

Peter Gutzeit, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE Eimsbüttel, Hamburg

Roland Wiegmann, Mitglied der Fraktion DIE LINKE Eimsbüttel, Hamburg

Hanno Raußendorf, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE, Bonn

Margita Gudjons, Fraktionvorsitzende DIE LINKE in Castrop-Rauxel

Isabelle Casel, Aktivistin und Sprecherin des Arbeitskreises DIE LINKE für Frieden und internationale Politik

Jens Carstensen, Mitglied DIE LINKE Oberhausen

Lutz Gallasch , KV Mettmann, Sprecher und Bundestagskandidat für DIE LINKE in Mettmann

Sabine Casper, Mitglied DIE LINKE Hamburg, Sprecherin für Cuba Sí

Klaus-Peter Bernd, Mitglied DIE LINKE Altona, Hamburg

Elke Forman, Mitglied DIE LINKE Hamburg, Leiterin der kommunalen Gesundheitsförderung in Altona

Elke Nordbrock, Mitglied DIE LINKE Hamburg

Sieglinde Steidinger, Mitglied DIE LINKE Hamburg, Sprecherin der Landesarbeitsgruppe Feminismus

Ulrik Ludwig, Sprecher der Kommunistischen Plattform Clara Zetkin von DIE LINKE

Jens Jaschik, Landessprecher der Linksjugend ['solid] NRW

Christian Walter, Landesgeschäftsführer der Linksjugend ['solid] NRW

Ingeborg Lay-Ruder, Mitglied DIE LINKE, Moers

 

Berlin, Deutschland, 31.05.2021