(3. Teilsitzung 2012 (Juni) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates)
(Bericht Dok. 12948 und Entschließung 1884)
Abgeordneter Andrej Hunko


Vielen Dank, Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das war eine sehr spannende, auch kontroverse Debatte. Ich möchte allen danken, die daran teilgenommen haben, auch denjenigen, die meinen Bericht kritisiert haben.

Zu den Kritikpunkten möchte ich ein paar Worte sagen. Frau Lundgren hat zu Beginn kritisiert, dass in dem Bericht die Kompetenz des Europarates überschritten werde, da es darin auch um Wirtschaftspolitik geht. Doch ist es, wenn wir über Austeritätspolitik sprechen, m.E. nicht vermeidbar, zugleich über Wirtschaftspolitik zu sprechen. Auch machen wir uns, wenn wir die Austeritätspolitik nur kritisieren, aber keine Alternativen dazu aufzeigen, erst recht kritikwürdig. Dann wird gefragt, was denn die Alternative sei.

Ich glaube, es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass in der Austerität die Gefahr besteht, einen Teufelskreis in Gang zu setzen, der von einigen Rednern, wie dem Kollegen aus Kanada, hier auch beschrieben worden ist. Dieser Teufelskreis entsteht dann, wenn wir sparen, im öffentlichen Dienst die Löhne senken, Menschen entlassen, die Mindestlöhne senken, die Renten kürzen usw. Dann geht die Binnennachfrage zurück und es werden noch weniger Steuern gezahlt. Einen solchen Teufelskreis sollten wir auf jeden Fall verhindern; dies ist keine Frage von links oder rechts, sondern hier geht es einfach um ein Wirtschaftsproblem.

Ich möchte an die Rede des isländischen Finanzministers Sifgússon erinnern, der sehr schön beschrieben hat, dass der Haushalt eines Staates nicht nur eine, sondern zwei Seiten hat. Die Ideologie der Austerität geht ja immer nur auf die eine Seite, die der nötigen Ausgabensenkung ein. In Island trug man beiden Seiten des Haushalts Rechnung.

Zum einen wurden gezwungenermaßen natürlich Kürzungen vorgenommen, durch die jedoch nicht das nordische Wohlfahrtssystem infrage gestellt wurde. Zugleich wurden aber auf der anderen Seite auch Einnahmen generiert von Bessergestellten, die auch in der Krise dazu in der Lage waren. Ein Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben zu finden und nicht nur auf die Ausgabenseite zu schauen, das ist m.E. der richtige Weg.
 
Noch etwas hat Herr Sifgússon am Anfang gesagt: In Island wurden nicht alle Banken gerettet; dazu war diese kleine Volkswirtschaft gar nicht in der Lage. Die Banken wurden umstrukturiert, und ein Teil der Banken konnte nicht gerettet werden. Auch diese Umstrukturierung ist sehr wichtig, um aus der Krise herauszukommen.

Es ist zu Recht sehr viel über die Situation der Jugend insbesondere in den besonders betroffenen Ländern diskutiert worden. In Spanien und Griechenland liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei annähernd 50%, in Portugal und Italien bei 35%. Diese Zahlen sind in den letzten Monaten und im letzten Jahr erst so stark angestiegen, und zwar auch als Folge von Austeritätsprogrammen.

In Griechenland hat das Austeritätsprogramm vor zwei Jahren begonnen; damals lag die Jugendarbeitslosigkeit noch bei 25%, also auch schon sehr hoch, aber bei weitem nicht so hoch wie jetzt. Genau dies ist eine der Gefahren, die in reinen Austeritätsprogrammen liegen. Ich bin absolut einverstanden mit dem, was Herr Volontè und viele Redner hier gesagt haben, nämlich, dass wir gerade in den genannten Ländern sofort dringend Programme brauchen, weil dort ja eine ganze Generation vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen ist.

In Spanien haben wir jetzt wieder ein Rettungspaket von nahezu 100 Mrd. Euro für die Banken beschlossen, aber keine Programme für die spanischen Jugendlichen. Was könnten wir mit diesem Geld alles an Programmen in die Wege leiten! Hier besteht doch ein großes Missverhältnis.

Ich will dem Eindruck widersprechen, ich redete einer unbegrenzten Verschuldung der Staaten das Wort; das ist nicht der Fall. Ich kritisiere gerade diese enormen Summen, die in den Bankensektor geflossen sind. Das halte ich für unverantwortliche Haushaltsführung.

Einige, wie z.B. Herr Davies, haben die heutige Krise mit der 1929 ausgelösten Weltwirtschaftskrise verglichen. Dieser Vergleich ist nicht falsch. Auch in der letzten Weltwirtschaftskrise versuchte Reichskanzler Brüning in Deutschland, durch ein radikales Sparprogramm aus der Krise herauszukommen. Das führte 1932 in Deutschland zu einer sozialen Katastrophe – es gab in den großen Städten unter den Arbeitern eine richtige Hungersnot – und zu einem gesellschaftlichen Klima, in dem die Nazis stark wurden und 1933 die Macht übernahmen.

Das zeigt die große Gefahr, ausschließlich auf ein solches Sparprogramm zu setzen. In der damaligen Weltwirtschaftskrise ging man in den USA einen anderen Weg: Roosevelt setzte eine Trennung im Bankensystem durch und führte die Banken wieder auf ihre Rolle als Diener der Realwirtschaft zurück. Zugleich wurde investiert. Dadurch kamen die USA in den dreißiger Jahren sehr gut wieder aus der Krise heraus.

Wir stehen in Europa wohl an einem Scheideweg – wollen wir in Richtung Brüning gehen, oder lieber ein wenig in Richtung Roosevelt? Ich hoffe, mein Bericht trägt dazu bei, dass wir letzteres tun.

Wie wir es nach den Wahlen in etlichen europäischen Ländern sehen konnten, besteht die ganz große Gefahr darin, dass Rechtsextremisten versuchen, aus dieser Krise Profit zu schlagen. Das wäre in der Tat eine dramatische Bedrohung für Demokratie und Sozialstaatlichkeit in Europa.

Vielen Dank.