Im Mai beschlossen der Rat und das Parlament der Europäischen Union die neue Europol-Verordnung, die ab 1. Mai 2017 gültig ist. Großbritannien hat die Möglichkeit, den Rechtsakt im Rahmen eines „Opt-In“ anzunehmen und weiter an Europol teilzunehmen. Nach dem Brexit-Votum ist dies jedoch unwahrscheinlich. Auch ohne Aktivierung des Artikel 50 der EU-Verträge müssen britische Beamte deshalb von Europol abgezogen werden, sämtlicher Datentausch von Europol mit Behörden in Großbritannien ist dann nicht mehr erlaubt. Hierzu erklärt der europapolitische Sprecher der Linksfraktion Andrej Hunko:

„Großbritannien hatte in der Europäischen Union stets eine Sonderrolle im Bereich Justiz und Inneres. Dass dies nun ohne Aktivierung des Brexit zum Ausschluss aus Europol führen wird, ist eigentlich ein Treppenwitz.

Es zeigt aber auch, dass Europol selbst ein Demokratieproblem hat. Die Polizeiagentur erhält stetig neue Kompetenzen und ist dabei kaum mehr parlamentarisch kontrollierbar. Wir haben die neue Europol-Verordnung deshalb abgelehnt. Europol verlagert seine Ermittlungen immer weiter ins sogenannte Vorfeld, nun ist die engere Zusammenarbeit mit den europäischen Inlandsgeheimdiensten geplant. Diese strategische Ausrichtung, aber auch viele der neuen Fähigkeiten Europols wurden von Großbritannien dominiert. Diese Lücke werden nun Deutschland und Frankreich füllen.

Zu befürchten ist aber auch die Stärkung informeller Strukturen von Sicherheitsbehörden. Hierzu gehören die „Police Working Group on Terrorism“ und der „Berner Club“, in denen sich europäische Staatsschutzbehörden und Geheimdienste organisieren. Sie gehören nicht zur Europäischen Union und können deshalb nicht von EU-Abgeordneten kontrolliert werden. Auch über die nationalen Parlamente ist dies unmöglich, die Bundesregierung hält uns gegenüber jede Angabe zur Arbeit der beiden Netzwerke geheim.

Die Frage, ob die britische Polizei deshalb lieber bei Europol verbleiben sollte, ist wie die Wahl zwischen Pest und Cholera. Der Austritt Großbritanniens (und übrigens auch Dänemarks) muss stattdessen als Chance für eine kritische Reflexion der gesamten europäischen Polizei- und Geheimdienstzusammenarbeit genutzt werden. Seit dem 11. September 2001 hat die Europäische Union rund 300 Anti-Terror-Maßnahmen beschlossen. Die Polizeiagentur war damals gerade einmal zwei Jahre alt und bezeichnet sich heute, 17 Jahre nach 9/11, als Drehscheibe für die Terrorismusbekämpfung.

Eine EU, die eine polizeistaatliche Sicherheitspolitik in den Mittelpunkt stellt, wird von einer Mehrheit als Bedrohung wahrgenommen. Bevor also neue Maßnahmen beschlossen werden, sollten die bereits begonnenen überprüft und wenn nötig auch zurückgefahren werden. Die Arbeit von Europol muss dabei im Zentrum der Untersuchung stehen.“

Von Andrej Hunko beauftragtes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes im Bundestag Konsequenzen des Brexit für den Bereich Inneres & Justiz- Möglichkeiten zukünftiger Kooperationen der EU mit dem Vereinigten Königreich: http://www.andrej-hunko.de/start/download/doc_download/864-gutachten-des-wissenschaftlichen-dienstes-im-bundestag-zu-konsequenzen-des-brexit-fuer-den-bereich-inneres-justiz