„Der Panzergraben in der griechischen Evros-Region demonstriert die menschenverachtende Migrationspolitik der Europäischen Union: Nun erhält die ‚Festung Europa‘ ihren Burggraben“, kommentiert der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko die jüngsten Enthüllungen über ein streng geheimes Projekt zur Migrationsabwehr an der griechisch-türkischen Grenze.

Hunko weiter:

„Durch einen Bericht der Berliner Zeitung vom 1. September gelangte erstmals ein Foto des Grabens an die Öffentlichkeit. Das bis dahin nur gerüchteweise bekannte Vorhaben ist also real und wird vom Militär umgesetzt. Die Regierung in Athen dürfte kaum mit einem bevorstehenden Panzerangriff der türkischen Armee rechnen. Stattdessen steht das Bauprojekt im Kontext der Flüchtlingsabwehr. An der griechisch-türkischen Grenze wird andernorts zudem eine High Tech-Grenzanlage mit thermischen Sensoren und Bewegungsmeldern errichtet und damit erneut die Rüstungsindustrie subventioniert: Zwischen der griechischen Stadt Orestiada und dem türkischen Edirne soll bald ein doppelter Zaun das Flachland des Grenzflusses Evros durchziehen“.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl weist seit einiger Zeit auf das gigantische Bauprojekt hin, das unter anderem der technischen Flüchtlingsabwehr dienen soll: In der Region des Evros-Grenzflusses zwischen Griechenland und der Türkei gräbt die griechische Armee seit 2009 einen 30 Meter breiten und sieben Meter tiefen Graben, der Grenzübertritte an der 120 Kilometer langen Landgrenze zur Türkei erschweren soll. Mehr als 14 Kilometer sind demnach bereits fertig gestellt.

Das Vorhaben steht im Kontext der Migrationskontrolle. Weil der Seeweg über das Mittelmeer wegen Operationen der EU-Agentur Frontex zusammen mit Grenzpolizeien der EU-Mitgliedstaaten zusehends riskanter wird, entschließen sich MigrantInnen häufig zur ebenso beschwerlichen Reise über den Landweg von der Türkei nach Griechenland. Die Region des Grenzflusses Evros (türkisch: Meric) steht daher seit einigen Jahren im Mittelpunkt der Migrationsabwehr.

Vergangenes Jahr hatte Frontex erstmals seine „schnellen Eingreiftruppen“ (RABIT) ins Grenzgebiet am Evros geschickt. Die im Februar zu Ende gegangene Mission unter deutscher Beteiligung wurde seitdem in die „Poseidon 2011 Joint Operation“ mit „offenem Ende“ überführt. Frontex vermeldet hierzu „Erfolge“; demnach sei die Zahl unerlaubter Grenzübertritte rapide gesunken. Viele Menschen ertrinken beim Überqueren des breiten Flusses, der zudem regelmäßig Hochwasser führt. Am 24. August sollen Angehörige der Frontex-Mission nach Berichten türkischer Agenturen das Feuer auf Schlauchboote eröffnet haben, die auf dem Weg auf die griechische Seite waren. Ein Migrant wurde demnach tödlich in den Rücken getroffen, während er noch am Ufer wartete. Eine Stellungnahme der Bundesregierung hierzu steht noch aus.

Gleichzeitig bleiben die Bedingungen in griechischen Flüchtlingslagern miserabel: Eine Delegation unter Leitung von Pro Asyl hatte bereits letztes Jahr festgestellt, dass seitens der „europäischen Grenzschutzpolizisten keine Prüfung dahingehend erfolgt, ob unter den Menschen, die die Grenze überschreiten, auch Schutzbedürftige und Flüchtlinge sind“.

„Hinzu kommen die menschenverachtenden Haftbedingungen in der nahen Haftanstalt Filakio“, schließt Hunko. „Im Juli hatte ‚Ärzte ohne Grenzen‘ darauf hingewiesen, dass der Bedarf an medizinischer Versorgung, psycho-sozialer Unterstützung wie auch humanitärer Hilfe enorm ist. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Insassen in Filakio am Samstag revoltierten und aus Protest ihre Zellen in Brand setzten. Diese Probleme lassen sich nicht durch die Entsendung griechischer Spezialeinheiten zur Aufstandsbekämpfung lösen: Wir brauchen eine Migrationspolitik ohne Burggraben-Mentalität“.

 Hintergrund:

Reisebericht der Delegation von Pro Asyl: http://www.proasyl.de/fileadmin/fm-dam/a_Startseite_und_Aktionsseiten/Startseite/2010__ab_April_/Evros_Reisebericht_2010.pdf

Bericht der Berliner Zeitung vom 1. September 2011: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/politik/356940/356941.php