Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Positionspapier des Arbeitskreises Außenpolitik und Internationale Beziehungen der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag vom 10. Mai 2016

1. Der Arbeitskreis Außenpolitik und Internationale Beziehungen der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag begrüßt, dass die Britinnen und Briten das Recht haben, über den Verbleib Großbritanniens in der EU in einem Referendum abzustimmen. Sie setzt sich für eine freie und faire Abstimmung ein und weist jegliche Drohung und Panikmache seitens der Mitgliedstaaten, der EU-Organe und politischer Vertreter/innen zurück. Das demokratische Recht, über den Verbleib in der EU zu entscheiden, muss vor und nach der Abstimmung respektiert werden.

2. Wir kritisieren, dass in der britischen Debatte zum EU-Referendum auf beiden Seiten nationalistische, rassistische und neoliberale Argumente vorherrschen. Wir begrüßen daher die linken Kampagnen[1], die sich unabhängig von ihrer konkreten Abstimmungsempfehlung für eine andere Auseinandersetzung mit der EU stark machen, und bedanken uns für die Diskussion mit deren Vertretern in der AG Europa und in unserem Arbeitskreis. Wir werden uns nicht gegen eine dieser linken Kampagnen aussprechen.

3. Stattdessen kritisieren wir, dass der Europäische Rat den Erpressungen Camerons nachgegeben und einen Beschluss gefasst hat, der im Falle des britischen Verbleibs in der EU neue Regelungen für das Vereinigte Königreich und für die EU als Ganzes in Kraft setzt.[2] Mit dem EU-Cameron-Deal entfernt sich die EU weiter von unserem Ziel eines sozialen Europas. Auch in Zukunft werden wir uns entschieden gegen alle Versuche wenden, durch Erpressung mit dem Austritt aus der EU Verschärfungen neoliberaler Regelungen im EU-Recht durchzusetzen. Die Bundesregierung werden wir zu einem entsprechenden Verhalten auffordern.

4. Wir teilen die von beiden linken Kampagnen geteilte Analyse, dass die EU zusammen mit den Regierungen ein undemokratisches und neoliberales Programm in den Mitgliedstaaten umsetzt und ihr Umgang mit der griechischen Syriza-Regierung einen Offenbarungseid darstellt.

5. Wir nehmen zur Kenntnis, dass beide linken Kampagnen berechtigte, unterschiedliche taktische und strategische Einschätzungen im Umgang mit der Brexit-Frage haben. Daneben berücksichtigen wir, dass es in der Labour Party verschiedene Einschätzungen zwischen dem Labour-Kampagnenführer Alan Johnson und dem Vorsitzenden Jeremy Corbyn darüber gibt, ob Cameron auf der richtigen Seite der Brexit-Debatte steht.[3] Die Fraktion wird sich daher solidarisch zu den beiden linken Kampagnen und dem Labour-Vorsitzenden Corbyn verhalten.

6. Im Falle des Verbleibs Großbritanniens werden wir Corbyns angekündigte linke Allianz unterstützen, um die von Cameron verhandelten Änderungen rückgängig zu machen und die Zusammenarbeit mit allen linken Kräften Großbritanniens suchen, die sich für eine demokratische, soziale und friedliche EU einsetzen. Dieser Referendumsausgang könnte dann ein Auftakt für eine britische Kampagne für eine andere EU darstellen.

7. Im Falle eines Austritts Großbritanniens aus der EU werden wir uns dafür einsetzen, dass Großbritannien in den Verhandlungen einen fairen Marktzugang erhält, wenn es die EU-Mitgliedstaaten nicht in Konkurrenz durch schlechtere Schutzbestimmungen für Arbeit und Umwelt, durch noch niedrigere Unternehmenssteuern und weniger Menschenrechtsschutz unterbietet. Statt dessen werden wir uns dafür einsetzen, dass Großbritannien entsprechend den Forderungen Corbyns die Möglichkeit erhält, das Schienennetz und die Energieerzeugung öffentlich zu betreiben, die vom Europäischen Gerichtshof beschnittenen Gewerkschaftsrechte wieder zu stärken und Maßnahmen gegen die Steuerflucht von Unternehmen zu ergreifen, die momentan nicht mit den Verträgen der EU vereinbar sind.[4] Ein Austritt Großbritanniens würde die Kräfteverhältnisse in der EU verändern und könnte Räume für eine Änderung der Wettbewerbs- und Freihandelsorientierung der EU öffnen.

8. Unabhängig vom Ausgang des Referendums suchen wir die Kooperation mit den Vertreter/innen beider linker Kampagnen, um gemeinsam an der Perspektive eines demokratischen, sozialen und solidarischen Europas zu arbeiten.

 

 

[1] Linke Kampagne für den Verbleib Großbritanniens in der EU: http://www.anothereurope.org. Linke Kampagne für den Austritt Großbritanniens aus der EU: http://www.theguardian.com/world/2016/feb/17/eu-is-now-a-profoundly-anti-democratic-institution und http://www.leftleave.org.

[2] Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/075/1807545.pdf

[3] Vgl. „Alan Johnson on the EU referendum“ http://www.theguardian.com/politics/2016/feb/26/alan-johnson-interview-eu-referendum-labour und drei Tage später „Jeremy Corbyn ‚not on same side‘ as David Cameron in EU debate” http://www.theguardian.com/politics/2016/feb/29/jeremy-corbyn-not-on-same-side-as-david-cameron-in-eu-debate; die Kampagne „Labour Leave”, die sich dafür einsetzte, Bedingungen zu stellen, damit sich Labour für einen Verbleib einsetzt, ist innerparteilich gescheitert: http://labourleave.org. Die Momentum-Bewegung für Corbyn hatte sich zunächst entschieden, explizit keine Position im EU-Referendum einzunehmen, erklärte Ende Mai dann aber ihre Unterstützung für die „Remain“-Kampagne von Corbyn.

[4] Brendan Chilton: The legality of Labour Party policy under EU law, 26.10.2015, https://forbritain.org/labour/2015/10/26/jez-eu-cant/

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

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