Am 26. April hat in Ankara ein mutmaßlich politisch motivierter Prozess gegen 108 kurdische Oppositionspolitiker:innen begonnen, darunter führende Vertreter:innen und Abgeordnete der HDP. Im Oktober 2014 hatte die HDP dazu aufgefordert die legitimen Proteste in Solidarität mit dem Widerstand in Kobane gegen den „Islamischen Staat“ zu unterstützen. Jetzt, Jahre später, werden sie für die gewaltsamen Zusammenstöße verantwortlich gemacht, die während der Proteste auftraten, und werden auf dieser Grundlage des Terrorismus beschuldigt.
Zu dieser Zeit haben überall Menschen gegen den Angriff des IS auf die Stadt Kobani demonstriert und gegen die anhaltende Unterstützung des IS durch das türkische Regime. Seit Jahren fordert die HDP eine parlamentarische Untersuchung, um Licht ins Dunkel zu bringen, was zu der Gewalt auf den Demonstrationen führte, aber die regierende AKP von Präsident Erdoğan hat dies stets abgelehnt.
Der Prozess wird von verschiedenen politischen Gremien beobachtet. Auf Grund der Corona-Maßnahmen können viele Menschen, die den Prozess gern vor Ort beobachtet hätten, nicht in die Türkei reisen. Ich persönlich kann auch nicht am Prozess teilnehmen, da ich seit meiner kritischen Wahlbeobachtung für den Europarat 2018 zum Verfassungsreferendum auf der schwarzen Liste Erdoğans stehe und bislang alle Bemühungen der deutschen Botschaft, eine Einreisegarantie zu erhalten, von türkischer Seite ignoriert wurden. Deshalb ist es umso wichtiger mit Aktionen wie dieser ein Signal der Unterstützung für die HDP zu zeigen.
Wir Linken in Europa stehen entschieden gegen diese Verletzung der Rechtsstaatlichkeit. In einer Demokratie ist es inakzeptabel, dass gewählte Vertreter:innen vor Gericht gestellt werden, während gleichzeitig die Untersuchung der Ereignisse, um die es geht, aktiv behindert wird.
Wir fordern die Öffentlichkeit, die politischen Parteien und die Parlamentarier auf, sich eingehender mit diesem skandalösen Prozess zu befassen.
Andrej Hunko, 26. April 2021