Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Persönliche Erklärung von Andrej Hunko, Fraktion DIE LINKE, nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zu den Abstimmungen über zwei Gesetzentwürfe (Drucksachen 19/20048 und 19/19755) zur Ersetzung des "Transsexuellengesetzes" durch ein Selbstbestimmungsgesetz.

Ich habe heute im Bundestag für die beiden Gesetzentwürfe zur Abschaffung des diskriminierenden „Transsexuellengesetzes“ (TSG) und dessen Ersetzung durch ein Selbstbestimmungsgesetz gestimmt. Es wäre ein wichtiges Zeichen für die umfassende geschlechtliche Selbstbestimmung gewesen, endlich das TSG zu überwinden und damit die Menschenrechte von Trans*-Personen zu stärken. Leider hat sich die SPD wieder einmal auf den Koalitionszwang berufen und diesen Schritt verhindert, obwohl es eine rechnerische Mehrheit für das Vorhaben gibt.

Die Linksfraktion hat darüber hinaus einen eigenen Antrag eingebracht, in dem es um die Aufarbeitung, Entschuldigung und Entschädigung für fremdbestimmte Operationen an trans- und intergeschlechtlichen Menschen in der Vergangenheit geht. Denn von 1981 bis 2011 gab es als Voraussetzung für eine Personenstandsänderung unter anderem einen Sterilisations- bzw. Kastrationszwang: Gemäß TSG wurde für die Personenstandsänderung beim Geschlechtseintrag vorausgesetzt, dass operative Eingriffe an den äußeren Geschlechtsmerkmalen erfolgten, inklusive des Nachweises, „dauernd fortpflanzungsunfähig“ (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 TSG) zu sein. Den Antrag finden Sie hier: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/177/1917791.pdf  

Ich habe einige Zuschriften im Zusammenhang mit dem Thema erhalten. Ich habe auch die ablehnenden Argumente ernst genommen, bin aber insgesamt zu dem Ergebnis gekommen, dass die vorgelegten Gesetzentwürfe trotz einiger Mängel ein Schritt in die richtige Richtung wären.

Bereits 2015 habe ich die „Stuttgarter Erklärung“ für eine menschenrechtskonforme Behandlung von Trans- und Intersexualität unterzeichnet (siehe https://die-erklaerung.de). Die heute behandelten Gesetzentwürfe entsprechen meiner Meinung nach den darin getroffenen Forderungen.

Auch der Europarat, die wichtigste europäische Institution zum Schutz von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten, hat sich in dieselbe Richtung geäußert. Dessen Parlamentarische Versammlung, in der ich Mitglied bin, forderte bereits 2015 die 47 Mitgliedstaaten auf, die Gesetze im Sinne der Menschenrechte von Trans-Personen anzupassen. In der entsprechenden Resolution (https://pace.coe.int/en/files/21736/html) wird unter anderem gefordert „schnelle, transparente und zugängliche Verfahren auf der Grundlage der Selbstbestimmung zu entwickeln, um den Namen und das eingetragene Geschlecht von Transgender-Personen auf Geburtsurkunden, Personalausweisen, Reisepässen, Bildungsnachweisen und anderen ähnlichen Dokumenten zu ändern“. Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stützen diese Sicht. Darüber hinaus forderte die Versammlung damals, „Geschlechtsangleichende Verfahren wie Hormonbehandlung, Operationen und psychologische Unterstützung für Transgender zugänglich machen und sicherstellen, dass sie von den öffentlichen Krankenversicherungen erstattet werden“. Eben diese Grundsätze wären heute durch die Änderungen umgesetzt worden. 

In den Debatten um die Rechte von Trans-Personen wird von manchen auf Frauenrechte und Frauenschutzräume verwiesen. Ich sehe das Problem, dass Schutzräume für Opfer von geschlechtsspezifischer und sexualisierter Gewalt gefährdet sind. Dies liegt meines Erachtens jedoch nicht daran, dass Trans-Frauen auch Zugang zu ihnen bekommen, sondern an unzureichender Finanzierung und fehlender politischer Unterstützung. Die Debatte um eine Öffnung von Frauen- und Lesbenräumen für Trans-Frauen wird seit Jahrzehnten geführt. Die meisten feministischen und frauenpolitischen Akteure und Verbände positionieren sich eindeutig, so zum Beispiel die Frauenhauskoordinierung. Sie sieht Frauenschutzräume als Räume für alle Frauen. Diese Diskussion zu nutzen, um jetzt gegen Rechte und die körperliche und sexuelle Selbstbestimmung von Trans-Personen zu argumentieren, halte ich für falsch.

In den Gesetzentwürfen geht es in erster Linie um die Vereinfachung der Personenstandsänderung sowie die Stärkung der Rechte von Trans-Personen. Dies führt jedoch nicht zu willkürlichen Änderungen von Geschlechtsidentitäten, wie teilweise unterstellt wird. Ein solcher Schritt setzt einen langen, komplexen Prozess und auch viel Mut voraus. Gerade angesichts der weit verbreiteten gesellschaftlichen Stigmatisierung von Trans-Personen halte ich es für extrem unwahrscheinlich, dass Personenstandsänderungen oder gar operative Eingriffe ohne relevante Gründe vorgenommen werden. Dies gilt im Übrigen auch für die häufig kritisierte Regelung für Jugendliche ab 14 Jahren. Damit minderjährige Jugendliche derartig weitreichende Eingriffe auch gegen den Willen der Eltern durchführen lassen können, müssen sie zunächst verschiedene Bedingungen und langwierige Prozesse durchlaufen. Ich sehe von daher die Gefahr, dass Jugendliche einen solchen Schritt tun und später bereuen könnten, als gering an.

Ich denke, es ist an der Zeit, endlich die Rechte von Trans-Personen zu stärken und ihnen ein selbstbestimmtes Leben ohne Diskriminierung zu ermöglichen. Das heißt nicht, dass dadurch die Rechte oder gar der Lebensstil aller anderen Menschen eingeschränkt würden. Aus diesen Gründen unterstütze ich die oben genannten Gesetzentwürfe.

Andrej Hunko, 19. Mai 2021

Quelle: Plenarprotokoll 19/229 vom 19. Mai 2021

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