Persönliche Erklärung von Andrej Hunko, Fraktion DIE LINKE, nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zum Entschließungsantrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat und zum Eurogipfel am 26. Oktober 2011 in Brüssel (Drucksache 17/7500)
Ich stimme aus folgenden Gründen gegen die geplante „Hebelung“ der EFSF:
Die geplante Hebelung der EFSF und die in dem Antrag aufgestellten Forderungen vertiefen die Krise der EU. Sie sind ein weiterer fataler Schritt in die falsche Richtung, der auf Kosten der Steuerzahler/innen gemacht wird. Den Umgang mit der Euro-Krise kann man mittlerweile mit der Kernschmelze in einem Atomkraftwerk vergleichen: Die Regierung versucht auf Kosten der öffentlichen Haushalte immer weitere Schutzmauern um das AKW zu bauen. Gleichzeitig wird die Kettenreaktion aufrecht erhalten und weitere Brennstäbe werden hinzugeführt, indem Steuergelder in den Finanzsektor gepumpt, das Casino an den Finanzmärkten weiter geduldet und in Schwierigkeiten geratene Länder zu Austeritäts- und Privatisierungsprogrammen gezwungen werden.
Alle bisherigen Kritikpunkte an den „Euro-Rettungspaketen“ bleiben bestehen:
- Die EFSF ist, wie alle anderen bisherigen „Euro-Rettungspakete“ auch, ein Airbag für die Finanzindustrie auf Kosten der öffentlichen Haushalte. Anstatt die Gläubiger an den Kosten der Krise zu beteiligen wird ein Mechanismus zur Risikoabsicherung der Spekulationsgewinne, also eine dauerhafte Pipeline aus Steuergeldern in den Finanzsektor, geschaffen.
- Die mit dem EFSF verknüpften Austeritätsprogramme sind sozial ungerecht und treiben die in Schwierigkeiten geratenen Staaten noch tiefer in die Krise. Anstatt etwa in Griechenland Sozialleistungen zu kürzen und öffentliches Eigentum dem Ausverkauf preis zu geben, wäre hier ein sozial-ökologisches Aufbauprogramm notwendig – finanziert durch Gläubigerbeteiligung, eine kräftige Vermögensabgabe und eine drastische Reduzierung der überhöhten Militärausgaben.
- Die „Euro-Rettungspakete“ stellen, insbesondere durch den Eingriff ins Haushaltsrecht der Parlamente, eine weitere Entdemokratisierung dar. Anstatt Demokratie abzubauen wäre gerade in der Krise eine Erweiterung der Demokratie notwendig - etwa wie in Island, wo per Referendum abgestimmt wurde, ob die Öffentlichkeit bereit ist, die Kosten privater Zockerbanken zu übernehmen.
Die Euro-Krise steht in Zusammenhang mit den exorbitant gestiegenen privaten Vermögen, die in etwa den gesamten Staatsschulden auf EU-Ebene entsprechen, sowie mit den extremen Leistungsbilanzunterschieden innerhalb des Euroraums. Um die Krise zu lösen, müssen die Staatsschulden durch eine kräftige Vermögensabgabe reduziert, die deutschen Exportüberschüsse durch nachhaltige Lohnerhöhungen ausgeglichen, sowie die Finanzmärkte endlich reguliert werden.
Die angebliche Forderung nach einer Finanztransaktionsteuer in dem Entschließungsantrag entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Nebelwerferei: Gefordert wird lediglich ein selbstverständlicher Verwaltungsvorgang, es gibt keinen positiven Bezug zu dieser sinnvollen Steuer. Ich finde es beschämend, dass große Teile von SPD und Grünen sich mittels dieser Nebelkerze zur Zustimmung haben nötigen lassen.
Der Irrsinn dieser „Rettungspakete“ kann gegenwärtig nur durch eine starke Bewegung auf den Straßen beendet werden. Ich unterstütze deshalb weiterhin die Occupy-Bewegung und wünsche ihr einen starken Zulauf.