Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Andrej Hunkos Rede zur von der Linksfraktion beantragten Aktuellen Stunde.

Andrej Hunko (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Letztes Jahr habe ich in meinem Wahlkreis in Aachen die Familie von Samir H. besucht. Der deutsche Staatsangehörige und Aachener Bürger war am 9. März 2012 von einer US-Drohne in Pakistan getötet worden. Der Mutter versprach ich, mich um die Aufklärung zu bemühen. Ich habe mehrere Anfragen an die Bundesregierung gestellt, aber es gab keine akzeptable Aufklärung. Das ist völlig inakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Fall zeigt dreierlei: Erstens. Die Schwellen zum Einsatz von Kampfdrohnen sind derart gesunken, dass oftmals andere Mittel gar nicht mehr ins Auge gefasst werden. Zweitens. Parlamentarische Kontrolle ist hier kaum möglich. Wie etwa deutsche Geheimdienste dem Drohnenpiloten geholfen haben, den Aufenthaltsort von Samir H. in Pakistan zu ermitteln, hält das Bundesinnenministerium unter Verschluss. Drittens. Die Beschaffung und der Einsatz von Kampfdrohnen sind längst zur globalen Realität geworden. Zu den Grundpfeilern der deutschen Außenpolitik sollte allerdings die Abrüstung gehören.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Samir H. ist einer von inzwischen 3 000 bis 4 500 Menschen, die seit 2011 durch den Einsatz von Kampfdrohnen in Pakistan, im Jemen und in Somalia ums Leben gekommen sind, davon etwa 200 Kinder. Das sind die Zahlen einer Studie der britischen Sektion der IPPNW, der renommierten internationalen Ärzteorganisation. In dieser Studie wird auch intensiv auf die psychologischen Folgen des Drohneneinsatzes eingegangen: Das dauerhafte Gefühl, durch Drohnen überwacht und gegebenenfalls auch beschossen werden zu können, hält die überwachte Bevölkerung in einem dauerhaften Zustand der Angst, einem Gefühl, zu keinem Zeitpunkt mehr sicher sein zu können. Auch das muss diskutiert werden, wenn wir über eine Drohnenstrategie reden.

Ich möchte darauf hinweisen, dass in der durch unsere Kleine Anfrage angestoßenen Debatte ein wichtiges Detail verloren gegangen ist: Die Bundesregierung sagt nicht nur, dass sie Kampfdrohnen für die Bundeswehr anschaffen will. Vielmehr sollen auch sogenannte militärische Aufklärungsdrohnen so bestückt werden, dass später Kampfdrohnen daraus gemacht werden können. Das lehnen wir als Linke entschieden ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich halte allerdings auch eine Nutzung rein militärischer Spionagedrohnen für problematisch. Anfang der Woche führte das Verteidigungsministerium der USA eine Kamera mit einer Auflösung von 1,8 Gigapixeln vor, die aus 6 000 Meter Höhe beeindruckend scharfe Aufnahmen zum Beispiel eines Parkplatzes liefern kann. Solche Systeme können im Rahmen von Amtshilfe jederzeit auch im Innern eingesetzt werden.

Die neuen, riesigen „Euro Hawk“-Drohnen der Bundeswehr etwa auch zur Grenzsicherung oder bei Großeinsätzen zu nutzen, wird ausgerechnet vom Drohnenausrüster EADS empfohlen. Ein anderer führender Drohnenhersteller hat mir kürzlich erklärt, dass seine Drohnen die mexikanisch-amerikanische Grenze überwachen. Wir möchten nicht, dass künftig auch die europäischen Grenzen mit Drohnen überwacht werden, vielleicht zunächst unbewaffnet und dann in einem zweiten Schritt bewaffnet. Wir möchten auch nicht, dass Großereignisse wie der Gipfel in Heiligendamm künftig von Drohnen überwacht werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Drohnenstrategie der Bundesregierung ist für die europäische Rüstungsindustrie ein Milliardengeschäft. Dies wird von der EU-Kommission ausdrücklich betont, wenn sie dafür wirbt, große Drohnen ab 2016 in den allgemeinen zivilen Luftraum zu integrieren. Im einem Dokument der EU-Kommission vom September 2012 ist ausschließlich von der Notwendigkeit einer Konkurrenzfähigkeit der europäischen Drohnenindustrie die Rede, die den Anschluss an Israel und an die USA halten müsse. Am Ende der Einleitung heißt es: Es ist „imperativ“ für Europa, „jetzt zu handeln“, sprich: drohnenmäßig aufzurüsten. Auch das lehnen wir deutlich ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Kampfdrohnen sind Killerwaffen. Darüber ethisch zu diskutieren, wie man es jetzt aus der SPD hört, macht so keinen Sinn. Die Entwicklung und Beschaffung von Kampfdrohnen wird selbst innerhalb des Militärs kritisiert. Ich fordere die Bundesregierung deshalb mit allem Nachdruck auf, sich international für die Ächtung von Kampfdrohnen einzusetzen.

Aber auch die Polizeien des Bundes und der Länder, denen ihre gegenwärtigen fliegenden Kameras zu klein sind, untersuchen auf mehreren Ebenen den Einsatz größerer Drohnen mit hochauflösenden Kameras. Auch das ist hochproblematisch. Größte Zurückhaltung muss deshalb nicht nur bei der Beschaffung militärischer, sondern auch polizeilicher Drohnen walten.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich komme zum Ende. Killerdrohnen sind international zu ächten. Sie senken die Hemmschwelle zur Entgrenzung des Krieges und zum Töten per Knopfdruck. Ich fordere die Bundesregierung zudem auf, sich für eine internationale Konvention zu einer streng zivilen Nutzung von Drohnen, etwa im Umweltschutz oder bei der Katastrophenhilfe, einzusetzen. Maßstab hierfür muss der mögliche gesellschaftliche Nutzen und nicht die Interessen der Drohnenindustrie sein. Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko