Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Rede im Bundestag am 07.11.2014

Deutschland ist in Punkto Whistleblowerschutz Entwicklungsland. Zu diesem Ergebnis kommen zahlreiche internationale Studien, etwa der G20 oder der EU-Kommission. Die bestehenden rechtlichen Bestimmungen sind völlig unzureichend. Wesentlich ist ein eigenes Whistleblowerschutzgesetz, das den notwendigen juristischen und kulturellen Paradigmenwechsel auch hierzulande zum Ausdruck bringt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Lieber Hans-Christian Ströbele, Sie haben vorhin gesagt, wir könnten in Europa ein vorbildliches Land in puncto Whistleblowerschutz werden. Leider ist die Realität entgegengesetzt. Zu diesem Ergebnis kommen auch verschiedene internationale Studien über die Situation in Deutschland beim Whistleblowerschutz. Wir sagen ganz klar: Das muss sich ändern.

(Beifall bei der LINKEN - Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sage ich ja auch!)

Ja. Das war keine Kritik. – Ich verweise etwa auf eine Studie, in der 14 verschiedene Kriterien für die G-20-Länder aufgestellt und Punkte vergeben werden. In fast allen Kategorien schneidet Deutschland sehr schlecht ab. Die Studie kommt zu dem Schluss:

Germany has no specific legal protections for whistleblowers

- es gibt kein spezielles Whistleblowerschutzgesetz -

other than a limited provision …

Es gibt also nur sehr begrenzte Regelungen. Das haben wir vorhin schon gehört. Weiter heißt es: Nor is there a dedicated agency at the national level …

(Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Können Sie das nicht auf Deutsch lesen? - Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Sie können es gleich auf Deutsch vorlesen, bitte!

- Ich übersetze es ja gerade für Sie. -Es gibt also keine Einrichtung auf nationaler Ebene, an die sich Whistleblower wenden können. - Das ist das Zeugnis der internationalen Organisationen.

(Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Warum sagen Sie nicht „Hinweisgeberschutzgesetz“?)

Eine ähnliche Studie gibt es von der EU-Kommission. Insgesamt ist Deutschland rückständig, was das angeht, und das muss sich ganz klar ändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Zur Wortwahl: Wir reden über „Whistleblower“. Wir verwenden einen englischsprachigen Begriff. Wir versuchen, ihn mit „Hinweisgeber“ oder „Aufklärer“ zu übersetzen.

(Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Trillerpfeifenbläser!)

Aber dass der spezielle Begriff englischsprachig ist, zeigt, dass es dort sozusagen eine weiter entwickelte Diskussion als hier in Deutschland gibt. Leider haben wir in Deutschland Begriffe wie „Nestbeschmutzer“ oder „Denunziant“, aber keinen historisch gewachsenen entsprechenden Begriff für Whistleblower.

(Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Selbst die USA haben ein Gesetz!)

Das zeigt, dass es nicht nur eine gesetzgeberische Aufgabe ist, vor der wir stehen, sondern auch eine kulturelle Aufgabe, dass wir einen Paradigmenwechsel in Deutschland brauchen, was Whistleblowerschutz angeht. Viele Beispiele wurden schon genannt. Natürlich wären ein entsprechendes Gesetz und ein spezielles Whistleblowerschutzgesetz ein richtiges Signal für einen solchen Paradigmenwechsel.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich begrüße es sehr, dass die Grünen einen Gesetzentwurf vorgelegt haben. Darin stehen sehr viele richtige Sachen.

(Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Selbstverständlich!)

Es gibt ein paar Punkte, über die wir auch reden können. In bestimmten Punkten geht uns der Entwurf nicht weit genug. Wir werden darüber in den Ausschüssen diskutieren. Wir sind ja heute erst in der ersten Lesung.

Aber lassen Sie mich, auch mit Blick auf das, was in den letzten anderthalb Jahren in puncto des berühmtesten Whistleblowers Edward Snowden bekannt geworden ist, noch einmal betonen: Wir brauchen auch ein Whistleblowerschutzgesetz, das Menschen in Geheimdiensten und im Militär schützt. Elemente dafür sind im Gesetzentwurf enthalten. Das ist sehr wichtig.

Es wurde auf die Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarates von 2010 verwiesen, an der ich ein bisschen mitgearbeitet habe. Es wurde auf die Konvention verwiesen, die im April dieses Jahres vom Europarat verabschiedet worden ist. Es gibt gegenwärtig in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats eine weitergehende Diskussion, die genau diesen Schutz von Whistleblowern in militärischen und geheimdienstlichen Strukturen ins Auge fasst. Das ist der richtige Weg.

Ich finde, wir sollten in Deutschland nicht hinterhertraben, sondern wir sollten hier tatsächlich Vorreiter werden. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

 

Quelle: Plenarprotokoll 18/64 vom 07.11.2014

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

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