Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Rede von Andrej Hunko in der Bundestags-Debatte am 30. März 2023 über die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes im Südsudan

Die postkoloniale Arroganz muss beendet werden. Das betrifft auch permanente Warnungen vor der Kooperation Südsudans mit Staaten wie China oder Russland. Menschen in Afrika entscheiden selbst, mit wem sie kooperieren. Ihre Entscheidung verdient Respekt. Die Entwicklung der letzten zwölf Jahre im Südsudan ist desaströs. 80 % der Bevölkerung lebt in extremer Armut. Der Bürgerkrieg kostete 400.000 Menschen das Leben. Die Lage verschlechtert sich von Jahr zu Jahr. Die Präsenz von UNMISS in dem Land hatte auf die Situation keinen spürbaren positiven Einfluss. Hoffentlich bringen die Wahlen im kommenden Jahr Stabilisierung und Demokratie mit sich.

https://youtu.be/DbLvX7S5u1Y

Vizepräsidentin Yvonne Magwas: Für die Fraktion Die Linke erteile ich das Wort Andrej Hunko.

(Beifall bei der LINKEN)

Andrej Hunko (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich erinnere mich sehr gut, wie im Jahre 2011 auch hier im Bundestag das Referendum über die Unabhängigkeit des Südsudans bejubelt wurde, wie regelrecht eine Euphorie erzeugt wurde. Wenn man sich die Entwicklung seit 2011 anschaut, dann muss man sagen, dass diese Entwicklung desaströs ist. UNMISS, die UN-Mission, ist seit 2011 vor Ort. Aber die Entwicklung im Südsudan ist, um es deutlich zu sagen, eine einzige Katastrophe.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gab in der Zwischenzeit einen Bürgerkrieg mit 400 000 Toten – laut „Spiegel“-Angaben –: etwa zur Hälfte durch direkte Gewaltanwendung und zur Hälfte durch indirekte Folgen dieses Bürgerkriegs. Mittlerweile leben 80 Prozent der Menschen im Südsudan in extremer Armut, und die Zahl wird leider von Jahr zu Jahr höher. Ich zitiere aus dem Fachjournal der Welthungerhilfe; dort wird der WHH-Landesdirektor gefragt: Im Grunde hält die Welt also einen Staat am Leben, der Unfrieden schürt und der nicht für seine zwölf Millionen Einwohner sorgen kann, die zu zwei Dritteln von der Welt ernährt werden. Kann das so weitergehen? Er antwortet: Nein, das kann nicht so weitergehen. In diesem Jahr sprechen wir sogar von 8,2 Millionen Menschen in Not – also etwa drei Viertel der Bevölkerung. Und die Zahlen werden Jahr für Jahr schlechter. Das ist die bittere Bilanz der letzten zwölf Jahre im Südsudan, und ich denke, das muss hier klar ausgesprochen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich hoffen wir alle, dass es in diesem Land nächstes Jahr – im Dezember 2024 soll es im Südsudan ja endlich Wahlen geben – zu einer Stabilisierung, auch zu einer Demokratisierung und zu einer Alternative zu dem jetzigen Regime kommt. Ich will aber auch ein paar Worte zu Ihnen, Frau Schäfer von den Grünen, sagen. Sie haben von der postkolonialen Arroganz gesprochen, die wir aufarbeiten und überwinden müssten. Das teile ich ja völlig. Aber ist nicht auch die permanente Warnung vor dem chinesischen Einfluss und dem russischen Einfluss Teil postkolonialer Arroganz?

(Zurufe von der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP: Nein!)

Ich erinnere hier auch an den Leoparden-Tweet des Auswärtigen Amtes. Das ist für mich postkoloniale Arroganz.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe in verschiedenen Ländern Afrikas Erfahrungen gemacht, wenn ich nach dem chinesischen Einfluss gefragt habe. Und ich sehe auch vieles kritisch, was China macht.

(Zuruf des Abg. Jürgen Coße [SPD])

Allerdings sehe ich es nicht kritisch, dass China zum Beispiel Brunnen im Südsudan baut. Aber die Reaktion, die ich in verschiedenen Ländern in Afrika immer wieder erlebt habe, war: Der Kolonialismus ist endgültig vorbei. Wir Afrikaner entscheiden selbst, ob wir Geschäfte mit Europa, mit den USA oder mit China machen. – Ich denke, das sollte man endlich respektieren. Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

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