Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Antwort von Andrej Hunko auf ein Schreiben des Arbeitskreises Antimilitarisierung im Aachener Friedenspreis, der Würselener Initiative für den Frieden, der Pax-Christi-Gruppe Aachen, der Attac-Gruppe Aachen, des Anti-Kriegs-Bündnisses Aachen sowie des VVN-BdA Kreisverband Aachen bzgl. des Einsatzes deutscher Soldaten im Nordirak und der Stationierung von Patriot-Raketen in der Türkei.


 

Sehr geehrte Damen und Herren,

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachfrage zur Stationierung der Patriot-Raketen an der türkisch-syrischen Grenze. In der Tat habe ich diese Stationierung, ebenso wie meine Fraktion, abgelehnt. Das Mandat läuft bis zum 31. Januar 2015; eine Mandatsverlängerung steht also voraussichtlich im Januar an. Die Linksfraktion wird sich dort erneut gegen die Verlängerung aussprechen.

Vor zwei Jahren hatte ich auf Anfrage der Aachener Friedens- und Antikriegsbewegung geschrieben:

„Die türkische Regierung verfolgt in der Region eigene Machtinteressen und setzt auf eine Eskalation des Konfliktes, für die sie sich jetzt den Beistand der NATO sichern möchte. Berichte über die Gewährung von Rückzugsräumen und die militärische Ausbildung von bewaffneten syrischen Rebellen konnte die türkische Regierung ebenso wenig glaubhaft entkräften wie den Vorwurf illegaler Waffenlieferungen. Auf diese Weise trägt die türkische Regierung zur weiteren Militarisierung des innersyrischen Konfliktes bei und erschwert damit die Verhandlungen über notwendige diplomatische Kompromisse.“

Diese Einschätzung hat sich in den letzten Monaten im Kontext der Debatte um den „Islamischen Staat“ (IS) leider dramatisch bestätigt und wird mittlerweile auch teilweise von Vertreter/innen der Regierungsparteien so gesehen. Ich selbst hatte im Sommer 2013 Flüchtlingslager an der türkisch-syrischen Grenze in der Nähe des Stationierungsortes besucht und viele Hinweise erhalten, dass mindestens eines dieser Lager bei Reyhanlı zur militärischen Unterstützung dschihadistischer Kräfte in Syrien genutzt wird. Dies war und ist auch der Bundesregierung bekannt. Leider übernimmt sie dennoch weitestgehend die türkische Position und macht sich damit indirekt zur Helfershelferin dieser Politik. Dies würde durch eine Mandatsverlängerung noch einmal unterstrichen.

Hochinteressant war für mich in diesem Zusammenhang ein offizielles Gespräch des Auswärtigen Ausschusses vor zwei Wochen mit der deutsch-britischen Parlamentariergruppe. Mehrere britische Abgeordnete warnten uns deutsche Abgeordnete mit Blick auf die britische Beteiligung am Irakkrieg 2003, in einen möglichen neuen Krieg in der Region gezogen zu werden. Mit der Stationierung der Patriot-Raketen nebst Soldaten ist aber genau diese Gefahr gegeben: Sollte es zur direkten bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Syrien und der Türkei kommen, wäre Deutschland Kriegspartei.

Zur Frage der Waffenlieferungen: Die Bundesregierung hat beschlossen, Waffen an die Peschmerga, die Streitkräfte der autonomen Region Kurdistan im Nordirak, zu liefern und diesen Beschluss symbolisch am 1. September vom Parlament absegnen lassen. Dies war gleich ein zweifacher Tabubruch: Zum ersten Mal werden Waffen direkt in ein Kriegsgebiet geliefert; gleichzeitig wurde dieser Beschluss ausgerechnet am Antikriegstag abgesegnet. DIE LINKE hat geschlossen dagegen gestimmt. 

Mit Blick auf die bedrohliche Lage in der kurdischen Gebieten in Syrien (Rojava) und insbesondere in Kobanê (arabisch: Ain al-Arab) haben wir uns für die die Öffnung von Korridoren an der türkisch-syrischen Grenze, für die Beendigung der Finanzierung und/oder Unterstützung des IS aus Katar, Saudi-Arabien und der Türkei, für eine grundsätzliche Umorientierung der Politik im mittleren Osten und natürlich großzügige humanitäre Hilfe inklusive Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen. 

Ein wichtiger Akteur in diesem Konflikt ist die PKK und die mit ihr auf syrischer Seite kooperierende PYD. Ich halte ihr Konzept einer ethnisch und religiös inklusiven demokratischen Autonomie ohne die Zielstellung der Schaffung neuer Nationalstaaten für ein interessantes Modell für die Region, das auf internationaler Ebene erheblich mehr diskutiert werden müsste. Leider geschieht das kaum, da die vorherrschende westliche Strategie auf die Schaffung ethnisch oder religiös separierter Nationalstaaten und den bewaffneten „Regime Change“ in Syrien setzt, ohne die Konsequenzen zu bedenken.

In diesem Zusammenhang ist es besonders zynisch, wenn einerseits vom Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU Waffenlieferungen an die PKK ins Gespräch gebracht werden, andererseits diese m. E. einzig relevante demokratisch-progressive Kraft in der Region verboten bleibt und als terroristisch stigmatisiert wird. Deutschland spielt auch auf EU-Ebene bezüglich des PKK-Verbots und deren Listung als Terrororganisation eine besonders repressive Rolle. Eine Aufhebung des Verbots betrachte ich auch als einen Schritt in Richtung der Perspektive einer demokratischen Lösung in der Region.

Um es noch einmal zu sagen: Wir lehnen die Fortsetzung des Patriot-Mandates ab. Wir wollen gar keine deutschen Soldaten in der Region, auch nicht als Ausbilder. Gerade vor dem Hintergrund der Rolle der Türkei im Konflikt um Kobanê und bzgl. IS muss jetzt maximaler Druck aufgebaut werden, um die Bundesregierung zur Beendigung des Patriot-Mandates zu bewegen.

Mit freundlichen Grüßen

Andrej Hunko

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

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