Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die in Artikel 15 des „Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ (Istanbul-Konvention) geforderten Aus- und Fortbildungen von den zuständigen Ländern geleistet werden, insbesondere im Hinblick auf die Untersuchungen von Dr. Martin Modlinger, der durch sein Projekt „Frag den Staat“ herausgefunden hat, dass zahlreiche Gerichte keine entsprechenden Fortbildungen anbieten (vgl. https://fragdenstaat.de/projekt/aktivitaeten-zuristanbul-konvention/)?

Antwort der Parlamentarischen Staatsekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Caren Marks, vom 29. Januar 2021:

Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) verpflichtet alle staatlichen Ebenen, die erforderlichen Maßnahmen zur weiteren Umsetzung der aus ihr erwachsenden Verpflichtungen in jeweils eigener Verantwortung zu ergreifen. Für die Fortbildung der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte im Landesdienst sind die Länder zuständig.

Fortbildungen zum Themengebiet Gewalt gegen Frauen werden unter anderem von der Deutschen Richterakademie, einer von Bund und Ländern gemeinsam getragenen, überregionalen Fortbildungseinrichtung für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte aus ganz Deutschland angeboten. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat zum Beispiel wiederholt an der Deutschen Richterakademie eine Tagung mit dem Titel "Strafverfolgung bei sexuellem Übergriff - die "Nein-heißt-Nein-Lösung" im Strafgesetzbuch ausgerichtet, in der es nicht nur um die neuen Straftatbestände im Sexualstrafrecht, sondern auch um den Opferschutz im Strafprozess geht. Der Umgang mit Gewalt gegen Frauen und die Bedeutung der Istanbul-Konvention für den Strafprozess sind Themen, die in der Tagung aufgegriffen werden.

Die Länder bieten weitere Veranstaltungen auf Landesebene an. Eine detaillierte Aufstellung über Aus- und Fortbildungen der Länder gemäß Artikel 15 der Istanbul-Konvention enthält der Erste Staatenbericht 2020 der Bundesrepublik Deutschland im Anhang unter 3.2. Prävention ab Seite 56 unter folgendem Link: https://www.bmfsfj.de/blob/160138/6ba3694cae22e5c9af6645f7d743d585/greviostaatenbericht-2020-data.pdf. Der Staatenbericht wurde im Zuge des GREVIO-Monitoringverfahrens erstellt und am 1. September 2020 beim Europarat eingereicht.

Darüber hinaus werden im Rahmen der Zuständigkeit des Bundes weitere Aus- und Fortbildungen in Umsetzung des Artikel 15 der Istanbul-Konvention durchgeführt. So wird beispielsweise in der Ausbildung des kriminalpolizeilichen Nachwuchses beim Bundeskriminalamt durch den Fachbereich Kriminalpolizei der Hochschule des Bundes im Rahmen des Bachelorstudienganges (B.A.) „Kriminalvollzugsdienst im BKA“ das Thema „Gewalt gegen Frauen“ in mehreren Pflichtmodulen abgebildet, sodass die Studierenden die vermittelten Inhalte in den Gesamtkontext der polizeilichen Aufgabenwahrnehmung einordnen können. Im Rahmen der Aus- und Fortbildung in der Bundespolizei wird eine Grundbefähigung zur Opferansprache bei allen Laufbahngruppen vermittelt.

Die Kommunikation mit Opfern beziehungsweise Hinterbliebenen, deren nächste Angehörigen und ihnen näherstehender Personen ist eine wichtige Aufgabe, die von dafür speziell geschulten Beamten wahrgenommen wird. Die Menschenrechtsausbildung zur Vermeidung von Diskriminierung in allen gesellschaftlich relevanten Bereichen ist bei der Bundespolizei (BPOL) selbstverständlich.

Der Bund unterstützt seit Mai 2019 im Rahmen des Bundesförderprogramms "Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen" die Entwicklung eines interdisziplinären E-Learning Kurses zum Themenbereich "Schutz und Hilfe bei Häuslicher Gewalt", der sich an alle Akteurinnen und Akteure im Feld von Schutz und Unterstützung bei häuslicher Gewalt richtet. Die Fortbildung richtet sich neben den Fachkräften in Frauenhäusern, Zufluchtswohnungen, Interventionsstellen, und Fachberatungsstellen bei häuslicher und sexueller Gewalt, auch an Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe sowie an Fachpersonal, dass an Schnittstellen des Hilfesystems arbeitet.

Darunter fallen z. B. Fachkräfte in der sozialpädagogischen Familienhilfe, der Familiengerichtsbarkeit, insbesondere Familienrichterinnen und Familienrichter, Verfahrensbeiständinnen und Verfahrensbeistände sowie familienpsychologische Sachverständige, sowie Fachkräfte bei der Polizei und Staatsanwaltschaft, aber auch medizinisches Fachpersonal und Fachkräfte in der Täterarbeit.

In der Begleitforschung wird das Kursprogramm regelmäßig evaluiert, um die Lernplattform und die Lerninhalte kontinuierlich zu verbessern. Weitere Aus- und Fortbildungen auf Bundesebene werden im oben genannten Ersten Staatenbericht 2020 der Bundesrepublik Deutschland im Kapitel III. C. ab Seite 20 dargestellt.

Daneben gibt es Fortbildungsangebote der Europäischen Richterakademie und auch des Europäischen Justiziellen Trainings Netzwerks (EJTN) zu diesem Themenbereich.

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

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