Persönliche Erklärung der Abgeordneten Andrej Hunko, Matthias M. Birkwald, Zaklin Nastic und Alexander Ulrich nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP „Zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19“ (Drucksachen 20/2573 und 20/3312):
Erneut will die Bundesregierung das Infektionsschutzgesetz verändern, um Corona-Maßnahmen bis zum Frühjahr 2023 zu verlängern bzw. zu ermöglichen. Wir lehnen diese Verlängerung ab und stimmen deshalb gegen den Gesetzentwurf. Die Zeit ist überfällig, um den Corona-Krisenmodus zu verlassen und zu einer rationalen, evidenzbasierten und verhältnismäßigen Politik im Umgang mit dem Virus zu gelangen, wie die meisten anderen europäischen Länder.
Folgende Gründe sind für mich ausschlaggebend:
- Es gibt inzwischen eine breite Immunität in der Bevölkerung gegen schwere Verläufe der Krankheit COVID-19. Sei es durch Infektionen oder durch Impfungen: Nahezu alle Menschen in Deutschland dürften inzwischen mit dem Virus bzw. seinen Bestandteilen in Kontakt gekommen sein.
- Die aktuell zirkulierenden Virusvarianten sind wesentlich weniger gefährlich. In den Krankenhäusern finden sich kaum noch schwere Fälle der ursprünglichen COVID-19-Krankheit. Die Infektionssterblichkeit, also die Zahl von Todesfällen im Verhältnis zu allen Infektionen, ist mit der Omikron-Variante massiv gesunken und ist inzwischen mit jener einer saisonalen Influenza nahezu vergleichbar.
- Das Gesundheitssystem ist weit von einer Überlastung durch Sars-CoV-2 bzw. COVID-19 entfernt. Auch der im Herbst bzw. Winter zu erwartende Anstieg der Infektionen mit dem Virus wird daran voraussichtlich nichts Wesentliches ändern.
- Es gibt ausreichend Möglichkeiten, sich gegen die Erkrankung zu schützen. Sei es durch Impfung, das korrekte Tragen von FFP2-Masken, durch Medikamente oder die Anpassung des Sozialverhaltens. All dies kann individuell entschieden werden. Es Allen aufzuzwingen ist jedoch nicht verhältnismäßig.
- Das Entstehen einer neuen, gefährlicheren Variante des Virus ist zwar theoretisch möglich, jedoch sehr unwahrscheinlich. Es ist die Aufgabe der zuständigen Behörden, Vorbereitungen für derartige Eventualitäten zu treffen. Es hilft aber nicht, die Bevölkerung mit Spekulationen über unwahrscheinliche Szenarien zu verunsichern oder gar Maßnahmen für eine Situation zu ergreifen, die noch gar nicht eingetreten ist.
Es ist überfällig, zur Normalität zurückzukehren. Die staatlichen Handlungen sollten sich auf ein notwendiges Maß öffentlicher Gesundheitsvorsorge beschränken. Dazu gehören in erster Linie besondere und gezielte Maßnahmen zum Schutz vulnerabler Gruppen aber auch die Erhebung belastbarer repräsentativer Daten über die Virusausbreitung und die Situation in den Krankenhäusern. Durch transparente und evidenzbasierte Risikokommunikation sollten die zuständigen Behörden aufklären und verlorenes Vertrauen zurückgewinnen. In all diesen Bereichen hat die Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD genauso versagt, wie die aktuelle aus SPD, Grünen und FDP.
Statt weiter zu versuchen, die Ausbreitung eines respiratorischen Virus zu kontrollieren, sollte sich die Bundesregierung endlich darauf konzentrieren, ein gutes, öffentlich finanziertes Gesundheitssystem aufzubauen, mit guten Arbeitsbedingungen, angemessenen Löhnen und einer bedarfsdeckenden Versorgung für alle Menschen, die sie benötigen.
Der französischen Staatstheoretiker Charles Montesquieu sagte: „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.“ Selten war dieser Grundsatz zutreffender als in Bezug auf das neue Infektionsschutzgesetz.
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