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Wahlen in Frankreich und Griechenland

 

 

 

 

Ein guter Tag für Europa, ein schlechter Tag für Merkel & Schäuble

Die Wahlen in Frankreich und Griechenland deuten einen Richtungswechsel in Europa an. Zur Zeit werden 25 der 27 EU-Länder von konservativen oder technokratischen Regierungen geführt (Ausnahme: Dänemark und Zypern). Insbesondere die großen EU-Länder wie Deutschland Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien waren bislang neoliberal dominiert. Das ist der politische Hintergrund unter dem die Merkel-Regierung bislang in der Lage war, die Krise zum Abbau sozialer und demokratischer Errungenschaften in Europa zu nutzen. Mit der Wahl des Sozialdemokraten Francois Hollande zum Präsidenten in Frankreich und dem Linksruck in Griechenland könnte sich diese Ära dem Ende zuneigen.

Die bedeutendste europapolitische Aussage von Hollande ist seine Ankündigung den geplanten Fiskalpakt neu verhandeln zu wollen. Dieses Vertragswerk, das in Kombination mit dem ESM gegenwärtig das bedeutendste Projekt des deutschen Kapitals ist, wurde Anfang März von 25 Staats- und Regierungschefs der EU unterzeichnet, ist aber in den einzelnen Ländern noch nicht ratifiziert worden. In Deutschland bedarf es zur Ratifizierung eine 2/3-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat, in Irland wird als einzigem EU-Land das Volk über dieses weitreichende Vertragswerk entscheiden. Im Unterschied zum Lissabonvertrag tritt der Fiskalpakt jedoch schon in Kraft, wenn 12 der 25 Länder ratifizieren.

Die Bundesregierung ist derzeit bemüht die Widersprüche zum neuen französischen Präsidenten zu vertuschen. Dabei bedient sie sich eines Tricks: Sie wisse ja auch, das reine Sparpolitik nicht ausreiche, man bräuchte zusätzlich „Wachstumsimpulse“. Dabei interpretiert sie den Begriff „Wachstumsimpuls“ bewusst genau andersherum, wie sie französische Sozialdemokraten (und auch Linke) verstehen: Für letztere bedeuten Wachstumsimpulse öffentliche sozial-ökologische Investitionsprogramme finanziert durch höhere Steuern auf hohe Vermögen, für die Bundesregierung hingegen Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch Deregulierung und weiteres Absenken von Löhnen und Sozialleistungen. Man darf gespannt sein, wie die Gespräche zwischen Merkel und Hollande verlaufen.

Ebenso spannend dürfte die Regierungsbildung in Griechenland sein. Die beiden großen Parteien, die als einzige im Vorfeld schriftlich erklärt hatten, die Memoranden der Troika umzusetzen, ND und PASOK, sind erdrutschartig abgestraft worden und erreichen zusammen gerade einmal 32% (nach 73,4% im Jahre 2009) der abgegebenen Stimmen. Hauptgewinner ist SYRIZA (wörtlich übersetzt „Bündnis der radikalen Linken“), die von 4,6% auf 16,8% springen und damit nur 2 Prozentpunkte hinter der ND als stärkste Partei liegen. Hinzu kommen im linken Lager 8,5% für die Kommunistische Partei (nach 7,5%) und 6,1% für die neugegründete „Demokratische Linke“, die politisch zwischen SYRIZA und PASOK steht. Zusammen erreichen die linken Parteien also fast ein Drittel der Stimmen und wären mühelos stärkste Kraft geworden, wenn sie dem Vorschlag von SYRIZA gefolgt und gemeinsam angetreten wären. Die stärkste Partei erhält in Griechenland einen Zuschlag von 50 der insgesamt 300 Parlamentssitze und wird mit der Regierungsbildung beauftragt.

Auf der rechten Seite sticht vor allem der Einzug der offen neonazistischen Chryysi Avgi („Morgendämmerung“) ins Auge, die knapp 7% der Stimmen erhalten. Schlägertruppen der Chryysi Avgi ziehen schon seit Wochen durch griechische Stadtviertel und machen Jagd auf Migrant/innen. Hinzu kommen auf der rechten Seite wohl auch die gut 10% für die neu gegründeten „unabhängigen Griechen“ eine ideologisch gemischte Truppe, die die Unabhängigkeit der griechischen Nation in den Mittelpunkt stellt. Die rechtspopulistische Laos, die auf Druck der EU zeitweise in die Übergangsregierung aufgenommen wurde und zu Beginn die Troikapakete mitgetragen hatte, scheiterte hingegen an der 3%-Hürde.

Insgesamt ist die Wahl zuallererst als Volksentscheid gegen die Troikapolitik aus EU-Kommission, EZB und IWF zu bewerten. Sie ist auch ein Schlag ins Gesicht der Bundesregierung, die zu recht für die „Barbarei der Austerität“ (Alexis Tsipras) verantwortlich gemacht wird. Gegenwärtig ist völlig unklar, wie eine Regierungsbildung in Griechenland aussehen könnte. Am wahrscheinlichsten wird es sein, dass PASOK und ND wieder eine große Koalition bilden und versuchen werden die fehlenden Sitze aus den Unabhängigen Griechen oder der Demokratischen Linken (möglicherweise mit Troika-Unterstützung) heraus zu kaufen.

Das Problem kann aber nicht in Griechenland gelöst werden. Die griechischen Wahlen sollten ganz Europa aufrütteln, dass die barbarische Austeritätspolitik, die mit dem Fiskalpakt verewigt werden würde, nicht nur sozial ungerecht und ökonomisch widersinnig ist, sondern auch politisch nicht mehr hingenommen wird. Nicht nur in Griechenland und Frankreich, demnächst wohl auch in den Niederlanden.