Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Am frühen Donnerstagmorgen trafen sich die Berliner an der O2-Arena um gemeinsam mit Bussen zu Blockupy Frankfurt zu fahren. Ein schwarzer Wagen mit Berliner Kennzeichen der vor Ort gesehen wurde, wurde später bei den Kontrollen im hessischen Butzbach wiedererkannt. Die Zivilpolizisten aus dem Wagen arbeiteten dort gut mit den anderen Polizisten zusammen. Anscheinend hat die Berliner Polizei also bei dieser Aktion gegen das Demonstrationsrecht mitgeholfen.

Nachdem die ersten drei Busse bereits abgefahren waren, fuhren wir mit den letzten beiden Bussen gegen 7:30 Uhr von der O2-Arena los.

Die Fahrt verlief problemlos, bis wir die Information bekamen, dass der Refugee-Bus aufgehalten und zur Kontrolle auf eine Autobahnmeisterei gefahren wurde. Das Plenum unseres Busses entschied schnell im Konsens, dass wir nicht versuchen würden allein nach Frankfurt zu kommen, sondern uns solidarisch auf den Weg zu den anderen Bussen machen würden. Als wir im Raum Butzbach an eine Raststätte fuhren, waren bereits einige Polizeiwagen und Polizisten vor Ort. Anfangs stellte sich ein Polizeiauto vor unseren Bus, anscheinend um ihn zu blockieren. Als wir von der Raststätte wiederkamen waren die Polizisten verschwunden.

Als unser Bus wieder losfuhr, wurde er wenig später von einigen Polizeiautos begleitet, die ihn zur Autobahnmeisterei oder –polizeiwache brachten, wo wir gegen 15 Uhr ankamen. Bereits auf dem Weg durch Butzbach fielen die zahlreichen Polizisten auf. Der Hof auf dem die Busse standen war komplett mit Polizisten vollgestellt. Noch bevor mit uns geredet wurde, begannen Polizisten bereits unser Gepäck aus dem Bus zu holen und daneben auf einen Haufen zu packen.

Der zuständige Polizist behauptete, wir wären nicht festgenommen, da lediglich eine Kontrolle nach §18 des Hessichen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung vollzogen werde. Entweder wir würden uns der Kontrolle unterziehen (Feststellung der Personalien, Videografie, Körperabtasten, Gepäckkontrolle,) oder aber wir müssten nach Berlin zurückfahren – ohne Kontrollen. Das wir nicht festgenommen sein sollten war für uns allerdings mehr als fraglich, da wir weder aus dem Bus aussteigen konnten ohne uns freiwillig einer Kontrolle zu unterziehen, und nicht nur von Polizisten, sondern auch von einem massiven Zaun umringt waren.

Wegen der deutlichen Verurteilung der vergleichbaren Polizeiaktion gegen die Berliner Busse waren wir sicher, dass die Polizei hier illegal handelt. Allerdings hatte für uns die Solidarität mit den Refugees Priorität: Da sie die Residenzpflicht verletzt hatten, waren sie konkret von längeren Haftstrafen bedroht. Die Möglichkeit, dass alle unkontrolliert zusammen nach Berlin zurückfahren wurde jedoch schnell von den Refugees verworfen.

Recht schnell kam dann ein Anwalt des Ermittlungsausschusses aus Frankfurt in unseren Bus, der die krassen Unrechtmäßigkeit des Einsatzes darstellte und mitteilte, dass man mit der Polizei verhandelt. Die Verhandlungen hielten über Stunden an. Dabei hatten wir das Pech in einem Bus mit defekter Toilette zu sitzen.

Auch als das Problem nach drei Stunden mehr als dringlich war, ließ die Polizei es nicht zu den Bus zu verlassen und auf Toilette zu gehen ohne die geplanten Kontrollen durchzuführen. Auch auf unseren Vorwurf der strafbaren Nötigung wurde nichts unternommen, um eine Lösung für das Problem zu finden. Letztlich wurde eine kleiner Mülleimer zweckentfremdet – eine wirkliche Lösung für die immerhin 38 Menschen in dem Bus war das allerdings nicht. Besondere Dankbarkeit galt daher der linken Landtagsabgeordneten Marjana Schott, die im Gegensatz zur Polizei bereit war, den Eimer auszuleeren und so ganz praktisch die drängenden Probleme der Mitfahrenden zwar nicht lösen, aber doch lindern konnte.

Letztlich kam es zu folgender Verhandlungslösung, die in allen Bussen im Plenum diskutiert und von allen akzeptiert wurde: Refugees, die sich nicht kontrollieren lassen wollten, würden mit dem Bus zurück nach Berlin fahren müssen. Die anderen Refugees müssten sich wie die anderen Aktivisten kontrollieren lassen, könnten dann allerdings weiterfahren und an den Protesten teilnehmen, ohne das sie wegen der Verletzung der Residenzpflicht bestraft würden. Das wurde von der zuständigen Staatsanwältin zugesichert. Die Gepäckkontrolle sollte sich auf eine nur oberflächliche Kontrolle beschränken.

Dann ging es einzeln los mit den Kontrollen, die wohl nicht nur zur Datenfeststellung, sondern auch als Versuch der Einschüchterung geplant waren. Mein Widerspruch zur ganzen Aktion wurde allenfalls ironisch zur Kenntnis genommen. Die Personalien wurden aufgenommen. Im Kommandoton wurde man jeweils angewiesen sein Gepäck von dem Haufen zu holen, seine Taschen auszuleeren, mal hier oder da hinzugehen, die Hände nicht in die geleerten Hosentaschen zu stecken, etc.

Während ein Polizist mein Portemonnaie durchsuchte und einzelne Karten herausholte, fragte ich ihn, ob denn das noch oberflächliche Durchsuchung sei. Er flüchtete aus, er wolle nur überprüfen, ob die Personeninformationen nicht widersprüchlich sind. In einem anderen Fall wurde auch Kassenzettel und andere Portemonnaieinhalte von Polizisten begutachtet.

Die Gepäckkontrollen wurde auch unterschiedlich gründlich vorgenommen: Es schien das die Beamten nach all den Stunden des Wartens und Kaffeetrinkens im Sonnenschein nicht mehr wirklich Lust hatten ihre Arbeit am Feiertag mit umfangreichen, sinnlosen Kontrollen zu verlängern. Andererseits schien die Zeitverzögerung aber ihr Auftrag. Bei mir wurden letztlich zwei Gegenstände einkassiert, da sie zu Straftaten benutzt werden könnten: Zwei Farbsprühdosen in den Farben Schwarz und Rot. Weitere Funde sollen sich sich auf einen Korkenzieher, eine Wasserpistole und ein Tütchen mit Gras beschränkt haben.

Dann ging es weiter zu Videografie. Wie in einem Mugshot von Kriminellen in US-Spielfilmen, wurde ein Zettel mit dem Namen und weiteren bürokratischen Zeichen vor den Oberkörpergehalten – zusammen mit den eingezogenen Fundsachen – und dann von oben nach unten und unten nach oben abgefilmt.

Auf meine Frage, was mit den Daten geschehe, bekam ich die Antwort, dass rechtschaffene Bürger nichts zu befürchten hätten. Auf Nachfrage wurde erklärt, dass die Daten vernichtet werden würden, wenn sie nicht bei den Blockupy-Protesten im Zusammenhang mit Straftaten relevant würden. Inwiefern die Daten auch zum Abgleich mit den Vorfällen bei M31 genutzt wurden, kann man nur spekulieren.

Nach etlichen Stunden des Wartens im Bus und auch nach den Kontrollen konnten wir den Platz dann gegen 20:30 zusammen mit den umgestiegenen Refugees in Richtung Frankfurt verlassen. Verschiedene geplante Treffen sowie auch das Plenum im Camp hatten wir allerdings verpasst.

Das Vorgehen der Polizei kann abschließend nur als eine Provokation bezeichnet werden: Gegenüber der Öffentlichkeit, der wieder vorgeführt wird, dass Demonstrationen von der Staatsmacht nicht erwünscht sind und das Demonstrationsrecht zur Disposition steht, was in Frankfurt nochmal deutlicher wurde. Aber auch gegenüber der Justiz, die genau so ein vorgehen im letzten Jahr verurteilt hatte. Die Gerichte weisen immer wieder darauf hin, das nicht nur das Demonstrationsrecht der direkt Betroffene verletzt wird, sondern auch das Recht eventueller Teilnehmer, da derjenige, der damit rechnen muss, dass seine Teilnahme an einer Versammlung von der Behörde erfasst wird, unter Umständen von der Teilnahme einer solchen Versammlung Abstand nehmen werde.

Neben der Repression sollte aber auch der politische Erfolg kommuniziert werden: Viele der Refugees konnten sich erfolgreich die Residenzpflicht widersetzen und so die Blockade des Abschiebeflughafens Frankfurt mitdurchsetzen und dort zu Wort kommen.

Hoffentlich werden sich im nächsten Jahr neben den anderen Bündnispartnern aus Berlin nicht nur Mitglieder der LINKEN, die linksjugend[’solid] und der SDS an der Fahrt beteiligen, sondern zumindest auch ein mit parlamentarischer Immunität ausgestatteter Abgeordneter der LINKEN. Bis dahin sollte auch die Unterstützung der Berliner Polizei für diesen Einsatz parlamentarisch aufgearbeitet werden.

René Jokisch, Linke Friedrichshain-Kreuzberg (Berlin), arbeitet bei Andrej Hunko (MdB) unter anderem zur EU-, Wirtschafts- und Eurokrise

Berlin, 05.06.2013

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

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