Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Bericht zum Fachgespräch am 02.12.2013, von Fotis Matentzoglou

Auf Einladung des Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko fand am 02. Dezember 2013 ein Fachgespräch mit Ramazan Demir und Hüseyin Boğatekin, Rechtsanwälte aus Istanbul, sowie mit Franziska Neumann vom Republlikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. (RAV), zum Justizwesen in der Türkei, statt.

Ziel des Fachgespräches war es, einen Einblick in die Rechtswirklichkeit in der Türkei zu bekommen, gerade auch nachdem die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei vor kurzem wieder aufgenommen wurden. Das Kapitel Justizwesen ist, neben den Rechten von Minderheiten, hierbei eines der wichtigsten Themen. In einem Bericht der EU-Kommission im Oktober 2013, wurde die Rechtsentwicklung in der Türkei eher positiv beschrieben. Diese vermeintlichen Fortschritte im Justizwesen wiesen Ramazan Demir und Hüseyin Boğatekin in wesentlichen Punkten zurück. Die türkischen Gäste erläuterten, dass die Türkei zwar in den vergangen Jahren einige wichtige justizielle Reformen verwirklicht habe, diese aber nicht konsequent und auf alle BürgerInnen angewendet würden.

Nach dem Begrüßungswort von Andrej Hunko, berichtete Ramazan Demir aus der Türkei. Als Strafverteidiger von zahlreichen, im Zuge der Gezi-Proteste festgenommenen Personen, wird er, sowie viele seiner Kolleginnen und Kollegen, als Feind der AKP-Regierung angesehen. Die Ausübung seines Amtes wird, wie bei anderen Strafverteidiger/innen auch, massiv behindert; durch Einschüchterung und Gewaltanwendung von Polizeikräften sowie durch Strafverfahren. So wurde gegen Demir beispielsweise ein Verfahren wegen Beleidigung  eröffnet, weil er die Arbeit des Staatsanwaltes kritisierte. Andere Strafverteidiger/innen werden immer wieder ohne Beweise für mutmaßliche Straftaten festgenommen. Strafverteidiger/innen werden ihren Mandant/innen gleichgesetzt und systematisch verfolgt.

Boğatekin erläuterte, dass Gesetze willkürlich angewandt werden. Durchaus fortschrittliche Gesetze, die aus den vergangenen Reformen hervorgegangen sind, werden nur gegen nichtpolitische Straftäter/innen angewandt. Oppositionelle dagegen werden antidemokratisch und menschenverachtend behandelt. Des Weiteren kritisierte Boğatekin das „Anti-Terror Gesetz“, auf dessen Grundlage Tausende Menschen in der Türkei inhaftiert wurden und werden. Massenverhaftungen sowie undemokratisch geführte Gerichtsverfahren spotten jeder Rechtsstaatlichkeit. Auch Boğatekin wird massiv bei der Ausübung seines Amtes behindert: An der Tagesordnung stehen Gewalt, Einschüchterung, unzulässige Durchsuchungen seiner Kanzlei oder auch vor dem Eintritt in den Gerichtssaal, zum Teil um Beweismaterial zu vernichten.

Franziska Nedelmann fasste zusammen, dass die von den zwei türkischen Anwälten geschilderte Lage ein Angriff gegen das Rechtssystem bedeute, indem Verteidiger/innen systematisch mundtot gemacht werden. Sie betonte die Notwendigkeit einer solidarischen Zusammenarbeit mit europäischen Anwaltsvereinen und anderen Unterstützer/innen.

Als wichtigste Forderung nannten die beiden Anwälte die Abschaffung des „Anti-Terror Gesetzes“. Auf eine Gegenöffentlichkeit in türkischen Medien können sie nicht hoffen, der Medienzugang in der Türkei sei „Regierungssache“. Öffentlichkeitsarbeit könne nur im Ausland gewährleistet werden, so wie zum Beispiel über die Gezi-Proteste. Die Unterstützung der Linkspartei sowie die der RAV öffnen neue Wege in diese Richtung.

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

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