Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Deutsche Übersetzung meines Interviews mit Ángel Ferrero für die Online-Zeitung „Publico“ zur drohenden Auslieferung des ehemaligen katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont. „Publico“ ist ein in ganz Spanien anerkanntes linkes Medium, das der Selbstbestimmung Kataloniens aufgeschlossen gegenüber steht.

Am Dienstag hat die Generalstaatsanwalt des Landes Schleswig-Holstein den Auslieferungshaftbefehl gegen Carles Puigdemont beantragt. Welche Chancen hat jetzt Herr Puigdemont, sich gegen den Auslieferungshaftbefehl zu wehren?

Jetzt wird erstmal das Gericht des Landes Schleswig-Holstein entscheiden. Dagegen kann Herr Puigdemont vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Eine Studie des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, die ich im November in Auftrag gegeben haben, sagt klar, dass auch beim Europäischen Haftbefehl nicht ausgeliefert werden muss, wenn politische Verfolgung droht oder Grundrechte in Gefahr sind. Auch die Bundesregierung kann ein Veto gegen die Auslieferung einlegen.

Die Mehrheit der Parteien im Bundestag und der Bevölkerung ist gegen eine Auslieferung. Die Bundesregierung hat aber schon gesagt, dass sie kein Veto plant. Können jetzt die Parteien im Bundestag Druck ausüben, bis die Regierung ihre Meinung ändert?

Der politische Druck auf die Bundesregierung ist jetzt enorm wichtig. Die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland ist gegen die Auslieferung auch die Mehrheit der Wähler aller Parteien, außer der CDU/CSU. Leider verstecken sich die meisten Parteien hinter der Justiz. Der Bundestag tagt erst in zwei Wochen wieder. DIE LINKE hatte Sondersitzung beantragt, das wurde aber abgelehnt. Wir werden das aber auf jeden Fall in zwei Wochen behandeln.

Und können die Unabhängigkeit-Befürworter diese Entscheidung durch Demonstrationen oder andere Aktionen in Katalonien beeinflussen? Nach der Festnahme Puigdemonts wurde beispielsweise sofort eine Demonstration vor dem deutschen Konsulat ausgerufen.

Es ist sehr gut, wenn die Unabhängigkeitsbefürworter ihr Anliegen mit friedlichen und demokratischen Mitteln ausdrücken, so wie am Sonntag in Berlin. Die Bevölkerung in Deutschland weiß sehr wenig über den Konflikt und es ist gut, wenn möglichst viele Diskussionen stattfinden.

Sie sind internationaler Beobachter des katalanischen Referendum gewesen. Was erinnern Sie von diesem Tag?

Vor allem das unfassbare Ausmaß der Gewalt durch die Guardia Civil. Und ich habe eine beeindruckende Bewegung für Demokratie erlebt, so wie ich sie zur Zeit nirgendwo in Europa kenne.

Die spanischen Richter sind der Meinung, dass das Referendum verfassungswidrig war. Warum haben Sie sich trotzdem als internationaler Beobachter beteiligt?

Ich war als Beobachter da, es handelte sich um ein wichtiges Ereignis in Europa und ich bin sehr froh, dass ich mir ein eigenes Bild der Geschehnisse machen konnte. Eine Aussage über die Zulässigkeit des Referendums nach spanischem Recht oder über die Frage der Zugehörigkeit Kataloniens zu Spanien habe ich damit nicht gemacht.

Die Linke war die erste Partei, die keine Auslieferung von Puigdemont gefordert hat. Ihre Genossen in Spanien von Podemos und Izquierda Unida (IU) sind aber nicht so begeistert. Viele Mitglieder sagen, dass Puigdemont ein bürgerlicher Politiker ist, und meinen seine oft neoliberale Politik. Auf Twitter kursieren Meinungen, wonach DIE LINKE. in fünf Tagen mehr Solidarität zu Katalonien gezeigt hat, als Podemos und IU in der gleichen Zeit. Was würden Sie den spanischen Genossen sagen?

Podemos und IU stehen unter großem Druck in Spanien. Sie haben sie sich gegen die Anwendung des Art 155 gestellt, der ja die Grundlage der jetzigen Situation ist. Im Oktober habe ich gemeinsam mit Pablo Bustinguy von Podemos im Parlament des Europarates den Generalsekretär Thorben Jagland aufgefordert, zu vermitteln. Meines Erachtens sollten sich Linke klar gegen repressive Mittel und für eine politische Lösung einsetzen, unabhängig davon, ob Puigdemont ein bürgerlicher Politiker ist oder nicht.

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

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