Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Inwieweit übte nach Erkenntnissen der Bundesregierung der von ihr als Interimspräsident anerkannte Präsident der Nationalversammlung Venezuelas, Juan Guaidó, zum Zeitpunkt der Anerkennung die effektive Kontrolle über die Staatsgewalt einschließlich der Streitkräfte und des Sicherheitsapparates aus, und was hat die  Bundesregierung dazu bewogen, durch die Anerkennung Juan Guaidós die gängige Praxis zu beenden, Staaten anzuerkennen, aber nicht Regierungen oder einzelne Personen?

Herr Staatsminister.

Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt:

Vielen Dank, Herr Präsident. – Wir sind jetzt in der Situation, dass ich eine Frage beantworte, die ich offenkundig schon einmal zu beantworten versucht habe.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Dann können Sie das kürzer machen.

Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt:

Für uns ist Juan Guaidó im Einklang mit der venezolanischen Verfassung der legitime Übergangspräsident auf dem Weg zu Präsidentschaftsneuwahlen in Venezuela. Es handelt sich hier um einen Sonderfall, der zudem auf ein klares Mandat beschränkt ist, das die venezolanische Verfassung Guaidó zuweist, nämlich die Organisation von freien und fairen Präsidentschaftswahlen. Die Bundesregierung hat mit ihrer politischen Erklärung ihre Unterstützung für Guaidó auf diesem Weg zum Ausdruck gebracht.

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Haben Sie eine Nachfrage, Herr Hunko?

Andrej Hunko (DIE LINKE):

Vielen Dank. – Herr Staatsminister, die Frage bezieht sich darauf, ob Sie die Einschätzung haben, dass Guaidó in dem Lande über eine reale Macht verfügt. Der Grund für diese Frage ist, dass der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages sagt: Eine Anerkennung als Präsident – die Sie ja vorgenommen haben – ist dann völkerrechtswidrig, wenn er gar keine reale Macht hat, was ja ganz offensichtlich der Fall ist. Hier steht sozusagen der Vorwurf der Missachtung des Völkerrechts im Raume. 

Deswegen noch mal meine Nachfrage: Sind Sie der Meinung, dass Guaidó die Kontrolle über die Sicherheitskräfte – die Polizei, das Militär – hat oder nicht?

Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt:

Vielen Dank. – Herr Präsident! Lieber Kollege, Sie wissen, dass die Bundesregierung grundsätzlich Gutachten des Wissenschaftliches Dienstes des Deutschen Bundestages nicht weiter bewertet; wir nehmen sie zur Kenntnis.

Ich habe darauf hingewiesen, dass 23 Staaten der Europäischen Union, unter anderem auch Deutschland, Guaidó als Interimspräsidenten mit dem klaren Auftrag, Neuwahlen alsbald herbeizuführen, anerkannt haben. 

(Zuruf von der LINKEN: Antworten Sie mal auf die Frage!)

Das bedeutet aber nicht, dass sich an den politischen Verhältnissen in Venezuela selbst etwas Grundlegendes geändert hat. Die Gesellschaft ist nach wie vor gespalten. Herr Maduro hat bislang keinerlei Bereitschaft erkennen lassen, auf einen Dialogprozess einzugehen und den Forderungen nachzukommen. Wir selbst arbeiten engagiert in der Kontaktgruppe, auch mit lateinamerikanischen Nachbarstaaten, um eine friedliche Lösung dieses Konflikts herbeizuführen.

(Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Das war aber nicht die Frage!)

Vizepräsident Thomas Oppermann:

Vielen Dank. – Wollen Sie eine weitere Zusatzfrage stellen?

Andrej Hunko (DIE LINKE):

Ja. – Sie weichen im Grunde genommen der Antwort auf die Frage aus, ob Guaidó über eine reale Kontrolle in Venezuela verfügt. Es macht es ja nicht besser, wenn insgesamt 23 Staaten der Europäischen Union das Völkerrecht brechen, als wenn es nur die Bundesregierung macht. Es ist nicht die Weltgemeinschaft; es ist die Mehrheit der EU-Staaten. Es ist nicht die Mehrheit der Organisation Amerikanischer Staaten. Es gab dort keine Mehrheit für die Anerkennung; das muss man auch deutlich sagen. Andere Teile der Welt – Afrika, China, Russland – kommen zu einer ganz anderen Auffassung.

Sie sagten, Sie möchten eine friedliche Lösung: Halten Sie es nicht für besser, anstatt einer solch einseitigen Anerkennung, dass sich die Bundesrepublik neutral verhält und zum Beispiel die Initiative von Mexiko und Uruguay unterstützt, die einen Dialogprozess in Venezuela auslösen wollen?

Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt:

Herr Präsident! Lieber Herr Kollege Hunko, diese Bundesregierung ist nicht neutral. Seit Mai vergangenen Jahres, seit diesen illegitimen und undemokratischen Wahlen haben wir klar ausgesprochen, dass Maduro nicht die demokratische Legitimation besitzt, um seinen Amtsgeschäften nachzukommen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist die klare Haltung der Bundesregierung und der internationalen Staatengemeinschaft. Am 26. Januar hat sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit Venezuela befasst. Sie wissen doch genau, warum wir dort zu keinem Fortschritt gekommen sind: weil sowohl Russland als auch China sich entsprechend zugunsten von Herrn Maduro verhalten haben. Das ist die bittere Realität in den Vereinten Nationen.

Plenarprotokoll 19/79

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko