Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

20120511 PlenumRede im Bundestag anläßlich der Regierungserklärung zu "Europas Weg aus der Krise"

Die Krisenpolitik der Bundesregierung ist nicht nur sozial ungerecht und ökonomisch irrsinnig, sie ist auch politisch nicht mehr durchsetzbar. Das ist die Botschaft der Wahlen in Griechenland und Frankreich. Mit Fiskalpakt und ESM soll dennoch die fatale Krisenbewältigungspolitik in einen Ewigkeitspakt gegossen werden. DIE LINKE lehnt das ab, wir brauchen ein Europa der Menschen, nicht der Banken und Konzerne.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Der Titel dieser Debatte heute lautet: „Europas Weg aus der Krise“. Nach der Regierungserklärung, Herr Westerwelle, die ich eben gehört habe, muss ich sagen, der Titel sollte heißen: „Europas Weg immer tiefer in die Krise“; denn das ist die Konsequenz Ihres Programms, das Sie vorgestellt haben.

Herr Westerwelle, Sie sind in Ihrem Beitrag gar nicht auf die Signale eingegangen, die am Wochenende aus Griechenland und aus Frankreich gekommen sind. Die Signale bedeuten, dass Ihre Politik gescheitert ist, dass die Politik nicht nur sozial ungerecht ist, dass sie nicht nur ökonomisch irrsinnig ist, sondern dass sie in Europa politisch nicht mehr durchsetzbar ist. Das ist die Botschaft der Wahlen in Griechenland und in Frankreich.

(Beifall bei der LINKEN)

Nicht nur die Menschen in vielen europäischen Ländern lehnen diese Art der Krisenbewältigung ab. Es gibt auch von Tag zu Tag mehr Ökonomen, die sich kritisch zu der Krisenbewältigung äußern, die Sie auch heute vorgestellt haben. Ich könnte viele zitieren. Herr Heil hat vorhin Paul Krugman erwähnt. Ihn will ich zitieren. Es lohnt sich wirklich, genau hinzuhören, was der Wirtschaftsnobelpreisträger von 2008 sagt:
Europas große Täuschung besteht in dem Glauben, dass die Krise durch unverantwortliche Haushaltsführung zustande kam.

Weiter heißt es:

Doch viele europäische Verantwortliche, allen voran deutsche Politiker, die Führung der Europäischen Zentralbank und die Meinungsführer in der Finanzwelt, wiederholen gebetsmühlenartig die große Täuschung und lassen sich auch von handfesten Gegenbeweisen nicht erschüttern. Sie kleiden das Problem gern in ein moralisches Gewand: Die betroffenen Länder haben gesündigt, und nun müssten sie büßen ‑ ein ganz schlechter Ansatz zur Lösung der eigentlichen Probleme des Kontinents.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Was meint er zum Beispiel mit handfesten Beweisen? Nehmen wir die Staatsverschuldung. Die Staatsverschuldung in der Euro-Zone ist vom Jahr 2000 bis Mitte 2008 im Durchschnitt tendenziell rückläufig gewesen, von etwa 72 Prozent auf etwa 67 Prozent.

(Otto Fricke (FDP): Nicht nur in Griechenland, sondern auch in Spanien und Portugal!)

Das sind alles Zahlen, die man offiziell bei der EZB einsehen kann. Erst Mitte 2008 ist die Staatsverschuldung deutlich auf über 80 Prozent angestiegen. Was war die Ursache? Unverantwortliche Haushaltsführung durch Sozialausgaben oder durch Leben über die Verhältnisse? Nein, die Bankenrettungspakete sind für den Anstieg verantwortlich und nicht etwa unverantwortliche Sozialausgaben.

Die zentralen Projekte dieser Bundesregierung sind der Fiskalpakt und der ESM, die jetzt ratifiziert werden sollen. Damit wird eine falsche Grundannahme in einen Pakt gegossen, der Ewigkeitscharakter haben soll und die Krise unnötig verschärfen wird. Der Fiskalpakt bedeutet in der Konsequenz genau die gleiche Politik, die jetzt Griechenland und anderen südeuropäischen Ländern auferlegt wird. Deswegen sagen wir Nein zum Fiskalpakt, deswegen sagen wir Nein zum ESM.

(Beifall bei der LINKEN ‑ Zuruf von der FDP: Ihr sagt immer Nein!)

Es stehen noch Kollegen von SPD und Grünen auf der Rednerliste. Mich würde schon interessieren: Werden Sie dem Fiskalpakt am Ende zustimmen ‑ dazu braucht man in Deutschland eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat ‑, oder werden Sie ihn ablehnen? Wir plädieren für die Ablehnung.

(Beifall bei der LINKEN ‑ Hubertus Heil (Peine) (SPD): Wir sind für Wachstum!)

Ich beende meine Reden hier im Bundestag meistens mit dem Satz: Europa wird sozial sein, oder es wird nichts sein. Das ist natürlich weiterhin richtig. Ich will aber heute angesichts der dramatischen Situation in Griechenland folgendermaßen enden:

Anatropή sthn Ellάda, mήnhma sthn Eurwpή, gia mia Europή ton laώn kai όci twn trapezitώn!  Die Wahlen, die Veränderungen am Wochenende in Griechenland sind ein Signal für Europa, für ein Europa der Menschen, der Völker und nicht der Banken und Konzerne.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN ‑ Michael Roth (Heringen) (SPD): Wenn es immer so einfach wäre! Meine Güte!)

Stream oder Download über die Mediathek auf bundestag.de

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko