Rede von Andrej Hunko in der Bundestagsdebatte anlässlich des 50.Jahrestages der Unterzeichnung der Élysée-Verträge (Video)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Auch die Linke bezieht sich positiv auf die deutsch-französische Aussöhnung. Sie erkennt auch die Bedeutung der Élysée-Verträge, die vor 50 Jahren geschlossen worden sind. Wir beziehen uns maßgeblich auch positiv auf die zivilgesellschaftlichen Komponenten.
Ich selbst war als Jugendlicher mit elf, zwölf Jahren als Mitglied der C-Jugend einer Fußballmannschaft Teil eines Austauschprogrammes. Ich erinnere mich sehr gut an die Atmosphäre in der französischen Gastfamilie, die uns aufgenommen hat. Ich habe gespürt, welche Bedeutung dieser Austausch für sie hatte und welche Überwindung dahinter stand angesichts der drei Kriege, die vorangegangen waren. Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Möglichkeit hatte.
Für uns Linke hat die deutsch-französische Kooperation allerdings eine längere Geschichte. Ich will erinnern an die Französische Revolution 1789, an die Ideen, die überhaupt die Grundlage auch für eine moderne Linke gebildet haben, an die utopischen Sozialisten Anfang des 19. Jahrhunderts, die die Arbeiterbewegung und die Linke in Deutschland im 19. Jahrhundert stark beeinflusst haben. Ich will erinnern an die Pariser Commune mit ihrer Praxis der direkten Demokratie, und ich will erinnern an die antimilitaristischen Traditionen insbesondere im Ersten Weltkrieg und an die Resistance im Zweiten Weltkrieg. All das waren Vorgänge, Ideen, die starken Einfluss auf linke Bewegungen in Deutschland hatten.
(Beifall bei der LINKEN)
Aber auch in der jüngeren Geschichte hat es aus linker Perspektive Wechselwirkungen gegeben. Die Gründung der globalisierungskritischen Organisation Attac ist in Frankreich vollzogen worden. Das linke Nein zum Verfassungsvertrag 2005, die gute Zusammenarbeit der Linken in den Comités du NON haben starken Einfluss gehabt auf die Gründung unserer Partei in Deutschland, auf das Projekt einer pluralen Linken. Umgekehrt hat diese Gründung Einfluss gehabt auf die Gründung der Front de gauche in Frankreich. Das sind wichtige Bezugspunkte für uns, und an derlei werden wir auch in Zukunft sehr stark arbeiten.
Aktuell werden Frankreich und der französische Präsident von den internationalen Finanzmärkten sehr stark unter Druck gesetzt. Davon betroffen sind die höher entwickelte französische Sozialstaatlichkeit, der Mindestlohn von 9,40 Euro, der in Frankreich existiert, das höher entwickelte Sozialsystem. Diesem Druck müsste sich eine deutsch-französische Solidarität entgegenstellen, statt dass man sich gemeinsam in militärische Abenteuer stürzt.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich freue mich, dass wir in der nächsten Woche hier auch die Kolleginnen und Kollegen der Front de gauche begrüßen können. Für uns ist die deutsch-französische Zusammenarbeit von links sehr wichtig; Axel Schäfer hat es eben erwähnt. Wir haben eine Reihe von gemeinsamen Anträgen gestellt, und wir werden das in Zukunft weiter intensivieren; denn wir sind zutiefst davon überzeugt, dass wir einen deutsch-französischen Motor von links brauchen für eine andere Entwicklung in Europa, für ein anderes, ein soziales und friedliches Europa. Daran werden wir in Zukunft sehr intensiv arbeiten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)