Rede des MdB Andrej Hunko zum Antrag „Export von Überwachungs- und Zensurtechnologie an autoritäre Staaten verhindern – Demokratische Proteste unterstützen“ am 16.5.2013, Drucksache 17/13489 (zu Protokoll)
Es gilt das gesprochene Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Ich freue mich, dass sich auch die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen gegen Ausfuhren neuer Technologien an autoritäre Regimes stellt. Nicht nur die Revolten in Nordafrika haben deutlich gemacht, in welchem Umfang Behörden von digitalen Schnüffelwerkzeugen Gebrauch machen. Auch in Deutschland werden Mobiltelefone und private Rechner mit entsprechender Soft- und Hardware ausgeforscht.
Wir haben uns immer wieder dafür eingesetzt, die in Rede stehende Technologie einer strikten Exportkontrolle zu unterwerfen. Dabei geht es unseres Erachtens aber nicht nur um Trojaner oder Software zum Durchleuchten von Datenpaketen, um damit die Kommunikation von Oppositionellen oder ihrer Computer zu überwachen.
Die Liste jener Dual-Use Güter, für deren Export es einer Genehmigung benötigt, müsste deutlich erweitert werden. Hierzu gehören Anwendungen zur Versendung einer „Stillen SMS“ oder die sogenannten IMSI-Catcher und WLAN-Catcher, um Mobiltelefone zu lokalisieren und die Kommunikation der Besitzerinnen und Besitzer abzuhören. Auch die sogenannte Funkzellenauswertung gehört immer mehr zum Standard. Die beschriebenen Kommunikationsvorgänge laufen in „Monitoring Centres“ zusammen, wie sie etwa Siemens Nokia und nun die Firma Trovicor in arabische Länder exportiert.
Angesichts der Vorverlagerung von Strafverfolgung zähle ich auch die zunehmende Nutzung von Data Mining-Software zu jenen Technologien, die – etwa im Namen eines „Kampfes gegen Terrorismus“ gegen missliebige Aktivitäten eingesetzt werden. Hersteller von Data Mining-Programmen versprechen, über eine „vorausschauende Analyse“ Kriminalitätsmuster erkennen und dadurch Straftaten vorhersehen zu können. Was dieser algorithmus-gestützte Machbarkeitswahn für Bürger- und Menschenrechte nicht nur unter autoritären Regierungen bedeutet, lässt sich heute noch gar nicht ermessen.
Erst zähe Nachfragen haben enthüllt, dass Polizeibehörden des Bundes zahlreiche ausländische Behörden in der Anwendung der Spionagewerkzeuge beraten: So geschehen etwa in Belarus oder in Kirgistan. Zur Verkaufsförderung von Trojaner-Software hatte das Bundeskriminalamt mit den deutschen Herstellern ein informelles Netzwerk eingerichtet, das in mehreren Ländern regelrechte Tupper-Parties zum „Informationsaustausch“ organisierte.
In Ländern des Arabischen Frühlings führt das Bundeskriminalamt Schulungen zur „Open Source Internetauswertung“ durch – entsprechende Lehrgänge fanden sogar noch unter den damaligen Machthabern statt. Durch die Analyse Sozialer Netzwerke im Internet, in öffentlichen Blogs und Chaträumen wird so nach Auffälligkeiten, Interessen von Gruppen, Trends oder anderen Aussagen über Beziehungen zwischen Personen und Vorgängen gesucht. Mit entsprechenden Maßnahmen wenige Wochen vor Ausbruch der Revolutionen in Tunesien und Ägypten ist die Bundesregierung mitverantwortlich für Verhaftung, Folter und Tod von Netzaktivisten.
Ich glaube also nicht, dass sich die gegenwärtige Bundesregierung für Exportbeschränkungen einsetzen wird. Denn der Markt für Überwachungstechnologie verzeichnet hohe Wachstumsraten. Alle Zeichen stehen dafür, dass die Meinungsverschiedenheiten zwischen den FDP-geführten Ministerien für Außen- und Wirtschaftspolitik zuungunsten der Menschenrechte ausgehen.
Denn einerseits stellte Außenminister Westerwelle im Herbst auf der Konferenz „The Internet and Human Rights: Building a free, open and secure Internet“ in Aussicht, Deutschland würde sich für Exportbeschränkungen digitaler Ermittlungswerkzeuge einsetzen. Wenige Tage später richtete das Bundeswirtschaftsministerium in Düsseldorf eine Verkaufsveranstaltung des Golfkooperationsrats aus, in der es ausdrücklich um Überwachungstechnologie ging. Regierungs- und Industrievertreter aus der Bundesrepublik trafen sich dort mit Kolleginnen und Kollegen aus Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und den vereinigten Arabischen Emiraten.
Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen geht in die richtige Richtung, enthält allerdings den Vorschlag zu weiteren „einzelfallbezogen Länderembargos“. Ich halte dies aber nicht für zielführend: Denn Ausfuhrbeschränkungen von Überwachungstechnologie laufen ins Leere, wenn über betroffene Länder von den zuständigen Ministerien nach politischem Gutdünken entschieden wird.
Der Forderung nach Entwicklung und Verbreitung von Techniken, die eine Umgehung staatlicher Überwachungs- und Zensurbestrebungen zum Ziel haben, stimme ich hingegen vorbehaltlos zu.
Die Bundesregierung muss sich in internationalen Gremien, vor allem auf Ebene der Europäischen Union, für den Abbau der digitalen Überwachung einsetzen. Das langfristige Ziel einer Ächtung der beschriebenen Spionagesoftware sollte dabei im Vordergrund stehen. Denn die Spähwerkzeuge werden weltweit gegen politisch unliebsame Bewegungen genutzt – in Teheran genauso wie in Dresden, Minsk, Tunis und Riad.