Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Frage Nr. 49:

Wie bewertet die Bundesregierung die Folgen der im europäischen Vergleich in Deutschland überlangen Schulschließungen im Rahmen der "Bundesnotbremse", und wie rechtfertigt die Bundesregierung diese gegenüber dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in ihrer Stellungnahme vom 26. April 2023 (vgl. https://www.welt.de/politik/article245169310/Bundes-regierung-rechtfertigt-Corona-Schulschliessung-vor-Gericht.html)?

Antwort:

Die zum Teil sehr weitreichenden und grundrechtsintensiven Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Corona-Pandemie in Deutschland getroffen wurden, werden derzeit aufgearbeitet, um aus den Erfahrungen der Vergangenheit für die Zukunft zu lernen. Einschränkungen des Schulunter-richts bei örtlich auftretender besonders hoher Inzidenz wurden auf Grundlage des damaligen wissenschaftlichen Kenntnisstands als geeignete Maßnahmen angesehen, um das dynamische Wachstum des Virus zu durchbrechen. Je nach Inzidenz wurde der Präsenzunterricht untersagt oder dieser nur in Form von Wechselunterricht zugelassen. Dies galt nach § 28 b IfSG (Infekti-onsschutzgesetz) für den Zeitraum vom 23.4.2021 bis 30.6.2021. Unterricht fand jedoch fortwäh-rend in Form von Wechsel- oder Distanzunterricht statt. Im Rückblick werden die Einschrän-kungen des Präsenzunterrichts auf Grund der negativen Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen durchaus differenziert und auch kritisch gesehen.

Aus einer nachträglichen Bewertung lässt sich jedoch nicht schließen, dass die Einschränkungen des Schulunterrichts und insbesondere der vorgeschriebene Wechsel- bzw. Distanzunterricht in der Corona-Pandemie eine Rechtsverletzung darstellen. Die rechtliche Aufarbeitung der Pande-mie folgt einem anderen Maßstab als die wissenschaftliche und politische. Maßgeblich für die rechtliche Analyse ist hier, wie sich die Lage zu der Zeit darstellte, als die gerügten Maßnahmen ergriffen wurden. Die Frage der Verhältnismäßigkeit der jeweiligen Maßnahme ist damit vor al-lem an der damals bestehenden außergewöhnlichen und dramatischen Lage bzw. den Unsicher-heiten über das Bedrohungspotenzial des Coronavirus, also zu dem jeweiligen Entscheidungs-zeitpunkt zu messen. Für die frühere Bewertung des Bedrohungspotenzials waren dabei mehrere Faktoren kumulativ maßgeblich (wie die Sieben-Tage-Inzidenz, der Reproduktionswert, die vorherrschende Virus-Variante sowie die drohende Überlastung des Gesundheitssystems). Maßgeb-lich für die Einschätzung der Verhältnismäßigkeit war auch die zeitliche Beschränkung der Maß-nahmen sowie die Anknüpfung der Maßnahmen an die lokale Gefährdungslage. Nach diesen Kriterien wurden die Maßnahmen auf Grundlage des weiten Ermessensspielraums unter Berück-sichtigung aller relevanten Umstände damals als verhältnismäßig angesehen.

Eine entsprechende Einschätzung liegt auch der Stellungnahme der Bundesregierung zu der zitierten Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zugrunde.

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

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