Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Verantwortliche des EU-Sicherheitsforschungsprojekts antworten erst nach 22 Monaten

„Ich weiß nicht ob ich mich ärgern oder freuen soll: Nach fast zwei Jahren haben mir Verantwortliche des EU-Sicherheitsforschungsprojekts INDECT auf meinen Offenen Brief geantwortet“, erklärt der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko.

Unter dem Titel „Intelligentes Informationssystem zur Unterstützung von Überwachung, Suche und Erkennung für die Sicherheit der Bürger im städtischen Raum“ arbeiten europäische Polizeien gemeinsam mit Unternehmen und Hochschulen am fünfjährigen Projekt INDECT. Im Konsortium mit Partnern aus 10 Ländern dominieren Firmen mit Überwachungstechnik aus Deutschland und Österreich. Auch die Universität Wuppertal ist beteiligt.

Andrej Hunko weiter:

„Die Antwort aus Warschau illustriert die Problematik der sogenannten 'Sicherheitsforschung' der EU: Auskünfte sind widersprüchlich, Zuständigkeiten unklar.

Vor meinem Schreiben an INDECT hatte ich eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet. Obwohl die Bundesregierung die zweifelhafte Forschung am Bevölkerungsscanner INDECT mitfinanziert, zeigt sie sich unwillig zur Auskunft. Zu beinahe alle Fragen wurden wurde ich auf die INDECT-Webseite verwiesen.

Deshalb hatte ich mit der EU-Abgeordneten Abgeordneten Sabine Wils eine Anfrage bei der EU-Kommission gestellt. Deren Antworten standen aber im Gegensatz zu Mitteilungen von INDECT: Von INDECT wurde berichtet, dass Anwendungen bereits in Warschau, Krakau und Danzig getestet wurden. Laut Kommission müssen aber alle aufgenommenen Personen ihre Bereitschaft hierzu schriftlich erklären. Während INDECT den 'Endnutzern' (also Polizeien und Geheimdiensten) Workshops zur Markteinführung eines späteren Endprodukts ankündigt, beschwichtigt die Kommission, es würde kein serienreifes Produkt entwickelt.

Gleichzeitig hatte der 'Ethikrat' von INDECT beschlossen, ausgewählte Dokumente zukünftig zurückzuhalten, da das Vorhaben in der Vergangenheit oft falsch verstanden worden wäre. Informationen, die eine nicht näher bezeichnete 'nationale Sicherheit' gefährden könnten, sollen verheimlicht werden. Ich halte diese Praxis für besorgniserregend und ethisch bedenklich.

Ich habe deshalb INDECT im Dezember 2010 aufgefordert, zu den damals ungeklärten Fragen Stellung zu beziehen. Den Projektverantwortlichen Andrzej Dziech bat ich, mit mir in einen konstruktiven Dialog zu treten. Allerdings wurde mir nicht einmal der Eingang meines Schreibens bestätigt.

Dass dieses allerdings angekommen war, erfuhr ich erst 22 Monate später. In einem von mir moderierten Panel der Konferenz 'Netz für Alle' hatte sich INDECT  im September diesen Jahres erstmals öffentlich der Diskussion gestellt. Neben dem Mitglied des 'Ethikrates' Tom Sorell reiste auch der Projektmitarbeiter Jan Derkacz an.

Abermals wurde die verwirrende Informationspolitik deutlich. Das polnische Innenministerium hatte im Sommer erklärt, die Polizei verfüge über 'ausreichende Mittel zur Abwehr von Gefahren' und würde sich aus INDECT zurückziehen. Von einem Sprecher EU-Kommission wurde die Reaktion kritisiert und als 'hysterisch' bezeichnet. Alles heiße Luft: Von Herrn Derkacz erfuhr ich, dass die polnische Polizei nach wie vor mitarbeitet.

Herr Sorell ist Direktor des 'Centre for the Study of Global Ethics' an der Universität Birmingham. Sein Statement auf der Konferenz 'Netz für Alle' machte deutlich, dass der Gefährlichkeit von INDECT nicht nur mit Datenschutz begegnet werden kann.

Denn es handelt sich um Werkzeuge für eine neue digitale Polizeiarbeit, die sich stetig zu einem 'proaktiven' Ansatz im Sinne einer computergestützten 'Gefahrenabwehr' verschiebt. Gemeint ist der Versuch, möglichst in Echtzeit abweichendes Verhalten aufzuspüren und mittels statistischer Auswertung sogar Prognosen für Straftaten zu entwerfen.

Projekte wie INDECT sind geeignet, zur Verunsicherung bei der Nutzung des öffentlichen Raumes beizutragen. Die Fraktion DIE LINKE. lehnt das Projekt deshalb weiterhin ab“.

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Die Antwort von INDECT auf meinen Offenen Brief: http://www.andrej-hunko.de/start/download/doc_download/261-answers-to-questions-sent-by-mr-a-hunko-from-eu-research-project-indect-letter-from-2010

Der Offene Brief auf  deutsch: http://www.andrej-hunko.de/start/aktuell/342-offener-brief-an-indect

Videomitschnitt des Panels „Drohnen, Wanzen, Satelliten, INDECT – Strategien der vernetzten Überwachung“ auf der Konferenz „Netz für Alle“: http://netzfueralle.blog.rosalux.de/2012/09/21/videodoku-panel-6-panel-6-drohnen-wanzen-satelliten-indect-strategien-der-vernetzten-uberwachung/

Die Antwort der Bundesregierung auf meine damalige Anfrage zu INDECT: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/039/1703940.pdf

Die Antwort der Kommission auf unsere Frage zu INDECT: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+WQ+E-2012-003271+0+DOC+XML+V0//DE

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

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