Am 12. Juni wird gewählt, die regierende AKP hofft auf Zweidrittelmehrheit. Ein Gespräch mit Andrej Hunko
Interview: Martin Dolzer
Der Bundestagsabgeordnete und Mitglied in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) Andrej Hunko, Die Linke, besuchte Mitte der Woche Ankara, um eine interfraktionelle Wahlbeobachtungsdelegation von PACE-Mitgliedern zu den türkischen Parlamentswahlen am 12. Juni vorzubereiten.
Am 12. Juni wird in der Türkei gewählt – Sie haben jetzt in Ankara mit Behördenvertretern, Vertretern der im Parlament vertretenen Parteien und Mitgliedern von Nichtregierungsorganisationen (NGO) gesprochen. Welchen Eindruck haben sie?
Ich möchte die Situation als angespannt bezeichnen. Die regierende AKP strebt nach der Zweidrittelmehrheit und versucht, die Konkurrenten klein zu halten. Sehr interessant war das Gespräch mit Ali Em, dem Vorsitzenden der obersten Wahlbehörde YSK. Die YSK war vor einem Monat ins Gespräch gekommen, weil sie etliche unabhängige Kandidaten des linken Wahlbündnisses »Block für Arbeit, Demokratie und Freiheit« nicht zur Wahl zugelassen hatte, darunter die Aachener Friedenspreisträgerin Leyla Zana. Diese Entscheidung war nach heftigen Protesten in den kurdischen Gebieten und in der türkischen Zivilgesellschaft zwei Tage später zurück genommen worden – ein Novum in der türkischen Geschichte. Auf meine kritischen Fragen antwortete Herr Em, daß man sich buchstabengetreu an das Wahlgesetz gehalten habe. In der Abschlußerklärung der Delegation fordert die PACE deshalb auch eine »Verbesserung der Wahlgesetze« und deren »gutgläubige Auslegung«.
Bei den letzten Kommunal- und Parlamentswahlen versuchte die AKP, Wähler in den kurdischen Provinzen zu bestechen und einzuschüchtern. Kam es im Vorfeld der jetzigen Wahlen zu Unregelmäßigkeiten?
Kann man in Anbetracht der Tatsache, daß in den vergangenen zwei Jahren über 3000 und in den letzten zwei Monaten mehr als 800 kurdische Politiker, darunter auch amtierende Bürgermeister, inhaftiert und viele Aktivisten von »Sicherheitskräften« getötet wurden, überhaupt von demokratischen und freien Wahlen sprechen?
Die BDP kandidiert gemeinsam in einem Linksblock mit unabhängigen Kandidaten. Kann ein derartiges Bündnis ein erster Schritt zu einer starken linken Kraft werden?
Quelle: junge Welt, 21.05.2011