Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

Andrej Hunko

Screenshot des Antrags des BSW

Erster Antrag der Gruppe BSW im Bundestag

Antrag der Abgeordneten Dr. Sahra Wagenknecht, Ali Al-Dailami, Sevim Dagdelen, Klaus Ernst, Christian Leye, Andrej Hunko, Amira Mohamed Ali, Zaklin Nastic, Jessica Tatti, Alexander Ulrich und der Gruppe BSW

Armut trotz Arbeit verhindern – Gesetzlichen Mindestlohn auf 14 Euro erhöhen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit der Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde zum ersten Oktober 2022 hatte die Bundesregierung das Wahlversprechen von Olaf Scholz eingelöst und einen überfälligen Schritt zur Sicherung der Arbeitseinkünfte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus nicht tarifgebundenen Unternehmen und traditionellen Niedriglohnbranchen vorgenommen: rund 6 Millionen abhängig Beschäftigte vor allem aus den Branchen des Gastgewerbes, des Einzelhandels und der Landwirtschaft profitierten davon; darunter vor allem Frauen, die rund 60 Prozent der Beschäftigten im Niedriglohnbereich stellen, sowie Beschäftigte in Ostdeutschland. Erstmals seit seiner Einführung lag der Mindestlohn in der Nähe – wenn auch leicht unterhalb – der Niedriglohnschwelle von damals 12,50 Euro. Die deutschen Gewerkschaften hatten deshalb die Anhebung begrüßt, zugleich aber schon damals weitere Erhöhungen eingefordert, um einem angemessenen Mindestlohn zu erreichen, der Armut trotz Arbeit tatsächlich verhindert, inflationsbedingte Kaufkraftverluste auffängt, und der Beschäftigte vor dem Abrutschen in die Altersarmut nach dem Renteneintritt schützt.

Die von der Mindestlohnkommission, bzw. von der Vorsitzenden und den Arbeitgebervertretern gegen die Stimmen der Gewerkschaftsvertreter im Juni 2023 beschlossene Mindestlohnerhöhung auf 12,41 Euro, die zum 1. Januar 2024 in Kraft trat, konterkariert die bisherigen Fortschritte: Die kümmerliche Erhöhung um 41 Cent ist in keiner Weise ausreichend, um die inflationsbedingt gestiegenen Lebenshaltungskosten aufzufangen. Vor allem die gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise trieben die Inflationsraten 2022 auf fast sieben Prozent, so dass es in Deutschland zu Reallohneinbußen von rund 4 Prozent kam. 2023 blieb die Inflationsrate mit 5,9 Prozent sehr hoch, sodass auch in diesem Jahr die Reallöhne erneut um 0,4 Prozent sanken. Dabei waren die unteren Lohngruppen mit Einbußen über diesem Durchschnittswert besonders von diesen Entwicklungen hart betroffen. Gewerkschaftsvertreter und Ökonomen wie unter anderem der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, erwarten, dass der in den letzten Jahren rückläufige Niedriglohnsektor wieder wächst und sich die Lohnentwicklung der unteren Einkommensgruppen weiter von der allgemeinen Lohnentwicklung abkoppelt. Die konkreten Folgen für Millionen Arbeitnehmer und ihre Familien sind: Weniger Geld in der Tasche, erhöhtes Armutsrisiko besonders bei Frauen und gering qualifizierten Arbeitnehmern und schwindende Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe. Die Spaltung der Gesellschaft wird so weiter vertieft.

Die von der Mindestlohnkommission beschlossene und der Ampel-Koalition umgesetzte unzureichende Mindestlohnerhöhung unterläuft darüber hinaus die Umsetzung der im Oktober 2022 verabschiedeten –von der Bundesregierung unterstützten – EU-Mindestlohnrichtlinie, mit der angemessene und armutsfeste Mindestlöhne EU-weit angestrebt werden. Die EU-Mindestlohnrichtlinie, die bis November 2024 in nationales Recht umgesetzt werden muss, sieht unter anderem Mindestlöhne in Höhe von 60 Prozent des jeweiligen nationalen Medianlohns vor. In Deutschland hätte gemäß der Richtlinie schon 2023 ein Mindestlohn von 13,53 Euro gezahlt werden müssen. Zudem verpflichtet die EU-Mindestlohnrichtlinie die Mitgliedstaaten Maßnahme-Pläne zur Förderung von Tarifbindung vorzulegen, wenn der Anteil tarifgebundener Jobs unter 80 Prozent liegt. Bei einer seit Jahren sinkenden Tarifbindung, die aktuell lediglich 51 Prozent beträgt, besteht ein massiver Handlungsdruck für die Bundesregierung, um EU-Recht zu erfüllen und Gute Arbeit in Deutschland zu gewährleisten.

Zwei der drei Ampel-Parteien haben diese Probleme erkannt: Der Ko-Vorsitzende der SPD, Lars Klingbeil, forderte bereits im vergangenen Jahr die Anhebung des Mindestlohns auf 14 Euro. In ihrem Parteitagsbeschluss vom Dezember 2023 „Zusammen für ein starkes Deutschland“ kritisierte die SPD den Beschluss der Mindestlohnkommission scharf als „empörenden Eklat“ und forderte zurecht eine deutliche Anhebung des Mindestlohns unter Verweis auf die Anforderungen der EU-Mindestlohnrichtlinie. Auch die Grünen haben den unzureichenden Mindestlohn-Beschluss kritisiert und – unter anderem in einem Beschluss der grünen Bundestagsfraktion vom November 2023 - entsprechende Forderungen gemäß der EU-Mindestlohnrichtlinie und zur Reform der Mindestlohnkommission aufgestellt. Es ist höchste Zeit, dass die beiden Parteien ihre Beschlüsse im Regierungshandeln der Ampel in die Tat umsetzen. 

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem der gesetzliche Mindestlohn auf 14 Euro pro Stunde angehoben wird, um existenzsichernde, armutsfeste Mindesteinkommen für Millionen von Arbeitnehmern in Deutschland zu gewährleisten und die Anforderungen der EU-Mindestlohnrichtlinie zu erfüllen.

Berlin, den 20. Februar 2024

Dr. Sahra Wagenknecht und Gruppe

Andrej Hunko vor einer Friedensfahne

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