Rede von Andrej Hunko (DIE LINKE) im Bundestag am 25.02.2021 zur Debatte über das Arbeitsprogramm 2021 der EU-Kommission
Im Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für das Jahr 2021 sind viele wichtige Ziele definiert wie die Bekämpfung der Klimakrise oder der Zugang zu sicheren Impfstoffen für alle. Doch durch ihre Überheblichkeit in den internationalen Beziehungen verbaut sich die EU das Erreichen dieser Ziele. Beispiele hierfür sind das Versagen bei der Impfstoffbeschaffung und die Sanktionspolitik wie kürzlich gegen Venezuela. Die EU müsste viel mehr auf Kooperation auf Augenhöhe setzen, statt auf Überheblichkeit. Dann ließen sich die guten Ziele im Programm der EU-Kommission sehr viel besser umsetzen.
Andrej Hunko (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Außenminister Maas, Sie sprachen eben davon, dass man mit Blick auf das, wie ich es formulieren würde, Impfstoffbeschaffungsfiasko der EU Fehler eingestehen müsse - sehr gut so weit. Aber es wäre leichter, das zu akzeptieren, wenn Konsequenzen daraus gezogen würden und wenn in dem Arbeitsprogramm der EU-Kommission, über das wir heute reden, nicht eine solche Überheblichkeit zu finden wäre. Dort steht zum Beispiel: Europa wird an der Spitze der weltweiten Impfstoffbeschaffung stehen. - Dieser Widerspruch ist unerträglich, und das muss man hier auch klar sagen.
(Beifall bei der LINKEN)
Das kleine Land in Europa mit großer republikanischer Tradition San Marino hat in den letzten Wochen verzweifelt versucht, über die EU bzw. über Italien Impfstoffe zu bekommen, wenigstens einen einzigen Impfstoff. Sie haben nichts bekommen und vorgestern angefangen, mit dem russischen Impfstoff Sputnik V zu impfen. Ähnlich sieht die Lage auf dem Westbalkan aus: In Serbien - einer der Staaten, die tatsächlich an der Spitze stehen, kein EU-Mitgliedstaat - sind mittlerweile über 15 Prozent der Menschen geimpft, und die Menschen können sich aussuchen, ob sie einen westlichen Impfstoff, den russischen Impfstoff oder einen Impfstoff von Sinopharm aus China verabreicht bekommen wollen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich finde es beschämend, wenn ein Land, das Beitrittskandidat der EU ist, in dieser Frage so viel weiter ist als die meisten EU-Mitgliedstaaten - oder sogar alle.
(Beifall bei der LINKEN)
Diese Überheblichkeit in puncto Europas Rolle in der Welt durchzieht dieses Arbeitsprogramm. Gestern ist die EU-Botschafterin in Venezuela, Isabel Brilhante Pedrosa, ausgewiesen worden, weil die EU Anfang dieser Woche nichts Besseres zu tun hatte, als neue Sanktionen gegen Menschen in Venezuela auszusprechen - aus der Regierung und sogar auch aus der Opposition -, die an den Parlamentswahlen im Dezember teilgenommen haben.
(Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Pfui!)
Das ist aus unserer Sicht völlig falsch.
(Beifall bei der LINKEN)
Dies geschah wenige Tage, nachdem die UNO-Sonderberichterstatterin zu den negativen Auswirkungen der einseitigen Zwangsmaßnahmen, Alena Douhan, in ihrem Bericht eindringlich appelliert hatte, die Sanktionen gegen Venezuela endlich zu beenden.
Ich glaube, ich kann zusammenfassend sagen: Wenn wir auf die Rolle der EU in der Welt - das ist ja ein großes Thema in diesem Arbeitsprogramm - schauen, dann wäre es sehr gut, wenn die Europäische Union sehr viel mehr auf Kooperation auf Augenhöhe mit anderen Regionen der Welt setzen würde als auf Überheblichkeit, auf Sanktionen und auf die Vorstellung, dass man überall Richter sein kann. Ich glaube, dass dann die guten Ziele, die in dem Arbeitsprogramm formuliert sind, wie etwa der Kampf gegen den Klimawandel oder der Schutz der Biodiversität und viele andere Dinge sehr viel besser umsetzbar sind.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Christian Petry (SPD))
Quelle: Plenarprotokoll 19/212 vom 25. Februar 2021