Rede von Andrej Hunko (MdB) auf der Europäischen Konferenz gegen den Krieg und gegen den sozialen Krieg (2./3. November 2024)
„Liebe Freundinnen und Freunde,
wir hatten in Paris Anfang Mai eine großartige Veranstaltung, wo ich auch geredet habe und die Rede mit einem Zitat von Julian Assange beendet habe: „If wars can be started by lies, peace can be started by truth.“ Und ich möchte hier daran erinnern, dass wir inzwischen einen wichtigen Erfolg erreicht haben, dass 1. Julian Assange freigelassen wurde, und dass 2. meine Kollegin Laura Castel und ich es in der parlamentarischen Versammlung des Europarates geschafft haben, dort eine Resolution zu verabschieden, die ihn als politischen Gefangenen deklariert. Und Julian Assange dort seinen bislang einzigen öffentlichen Auftritt hatte. Es war ein großartiger Erfolg für die Friedensbewegung und die internationale Assange-Bewegung. Daran möchte ich erinnern, denn ich glaube, wir sollten so etwas feiern.
Ich war in den letzten Tagen in Georgien als Wahlbeobachter für den Europarat. Laura war in Moldawien. Morgen, am 3.11., sind Stichwahlen in Moldawien. Ich erwähne das, weil der Doppelstandard im Umgang mit diesen beiden Wahlen das Ausmaß an Konfrontationsbereitschaft unserer Regierungen und vor allem unserer Medien demonstriert. In beiden Fällen sind es geopolitisch aufgeladene Wahlen, deren Zeugen wir sind.
In Moldawien ging es um die Präsidentschaft, aber auch um ein Referendum zur EU-Mitgliedschaft. Lei-der ist die EU eben nicht mehr so neutral, wie sie vielleicht Anfangs erschien. Und sie kommt damit auch ein Stück weit in Konflikt mit der moldawischen Verfassung, die Neutralität vorsieht. Und bis zu dem Augenblick, wo es so schien, dass die Mehrheit gegen die EU-Mitgliedschaft gestimmt hat, wie es die Mehrheit in Moldawien dann tatsächlich auch getan hatte, war die Rede von massiver Einschüchterung in den Wahlen durch eine Cyber-Operation Russlands und dann auch durch die Auslandsstimmen. Ich muss dazu sagen, es gab in Italien 60 Wahllokale für Auslandsmoldawier und in Russland, wo viel mehr leben, nur zwei. Aber durch die Auslandsstimmen gab es doch eine knappe Mehrheit und keiner redete mehr in den Medien über Einschüchterung, über Wahlbetrug oder Manipulation der Wahlen.
In Georgien war es umgekehrt. In Georgien hat eine Regierungspartei, das ist keine linke Partei, aber eine Partei, die sich an der Konfrontation mit Russland nicht beteiligen möchte, den Wahlkampf mit dem Slogan geführt: „Frieden oder Krieg“. Überall waren riesige Wahlplakate aufgestellt mit Bildern von zerstörten ukrainischen Städten und Kirchen und ihnen gegenüber gestellt Plakate mit intakten georgischen Städten und Kirchen, weil es einen Druck auf Georgi-en gibt, sich an diesem Krieg in der einen oder anderen Form zu beteiligen. Und die große Mehrheit in Georgien hat gesagt: Nein, das wollen wir nicht. Wir sind vielleicht keine Fans dieser Regierung, aber wir wollen nicht in diesen Krieg hineingedrückt werden.
54% in Georgien haben deshalb diese Regierung gewählt, den georgischen Traum. Und bei der Nachwahlbefragung hat das Institut Edison Research, ein CIA-nahes Umfrageinstitut gesagt, die Regierung hat nur 41% bekommen. Am Ende waren es doch 54 %. Am Anfang war keine Rede von Wahlbetrug. Erst seit-dem klar war, die Mehrheit hat doch so abgestimmt, geht kein Tag ins Land, an dem nicht über Erkenntnisse von Wahlbetrug in Georgien massiv über die Medien in die Bevölkerung kommuniziert wird. Und das zeigt, dass selbst demokratische Spielregeln und Standards dieser Geopolitisierung der Konflikte, die wir gegenwärtig erleben, nicht mehr standhalten. Ich glaube, wir ,müsse im Sinne von Julian Assange dem durch Aufdeckung der Wahrheit entgegenwirken, um den Frieden zu erreichen.
Ich will einen Gedanken noch kurz ansprechen, der auf dieser Konferenz nicht angesprochen wurde. Wir haben eine Situation, dass die Kriegstreiber sich maßgeblich liberaler Kräfte, teilweise sogar linker Rhetorik, bedienen und es schaffen, Parteien wie in Deutschland die Grünen oder andere liberale Parteien, teilweise such die Sozialdemokraten, in diesen Kriegs-kurs einzubeziehen. Und das führt dazu, dass wir eine Situation haben, in der ausgerechnet ein Regime wie das von Erdogan in der Türkei zum Mediator für Verhandlungen wird, die wir richtig finden; zum Mediator für Gefangenaustausch, der stattgefunden hat.
Und dass ein Viktor Orban in Ungarn bei seiner Ratspräsidentschaft etwas völlig Richtiges gemacht hat, nämlich in die Ukraine zu fahren, nach Russland zu fahren, nach China zu fahren und beide Kandidaten in den USA zu besuchen. Das war völlig richtig – wir sagen das auch, wenn wir die sonstige Politik nicht teilen. Und das ist eine neue Situation, in der wir uns bewegen, weil Opposition gegen Krieg, jedenfalls in Deutschland, lange Zeit eine linke Domäne war, und heute teilweise von Kräften angeführt wird, die als rechts beschrieben werden, ob Orban oder Trump. Damit müssen wir lernen umzugehen.
Wir brauchen eine starke und breite Antikriegsbewegung, die die dramatische Bereitschaft zur Eskalation stoppt, etwa durch die Lieferung von Taurus-Raketen oder die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland.“