Rede von Andrej Hunko in der Bundestags-Debatte am 23. Juni 2023 über die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Bosnien-Herzegowina
Die Debatte um die Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes in Bosnien und Herzegowina zeigt das Scheitern der bisherigen Westbalkanpolitik der Bundesregierung. Über 30 Jahre haben Bundesregierungen auf dem Westbalkan eine sezessionistische Politik unterstützt, die im Antrag nun kritisiert wird. Das zentrale Problem vieler Staaten auf dem Westbalkan bleibt eine fehlende demokratische und soziale Perspektive. Der geopolitische Blick auf die Region muss endlich überwunden werden.
Andrej Hunko (DIE LINKE):
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren jetzt den 239. Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte im Ausland. Wie schon bei den vorangegangenen Diskussionen ist diese Debatte, die wir hier im Parlament führen, im Wesentlichen seitens der Regierungsfraktionen eine Legitimationsdebatte. Es geht um den Einsatz EUFOR Althea in Bosnien und Herzegowina. Allein die Tatsache, dass wir 2012 aus diesem Einsatz ausgestiegen sind und letztes Jahr wieder deutsche Soldaten dorthin geschickt haben, zeigt, dass die bisherige Balkanpolitik gescheitert ist.
(Beifall bei der LINKEN)
Es geht um 50 Soldaten, Einsatzkosten 9,1 Millionen Euro, und zum ersten Mal in diesem Mandat geht es auch um konkrete Einsatzunterstützung bei möglichen Kämpfen. Das war letztes Jahr noch nicht drin.
In dem Mandatstext lesen wir den bemerkenswerten Satz:
Sezessionistische Politik und Rhetorik sowie Hassrede verstärken die Polarisierung der Gesellschaft und schwächen die gesamtstaatlichen politischen Institutionen.
Dem kann man nur zustimmen. Aber über 30 Jahre lang haben auch verschiedene Bundesregierungen aus Deutschland auf dem Westbalkan sezessionistische Politik durch einseitige Anerkennungen unterstützt. Dieser Doppelstandard hilft wirklich nicht weiter.
(Beifall bei der LINKEN)
Das Problem für die Menschen in Bosnien und Herzegowina sowie in den anderen Staaten des Westbalkans ist die mangelnde soziale und demokratische Perspektive.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir reden von einem Land, in dem über 20 Prozent der Bevölkerung ausgewandert sind oder auswandern wollen, in dem die Mehrheit der jungen Menschen, der Studenten, auswandern will, und wir reden über ein Land, in dem ein Deutscher, ein ehemaliger CSU-Minister, Christian Schmidt, eine absolute Macht hat, Gesetze nicht anzuerkennen, Beamte zu entlassen, Wahlen auszurufen, der sozusagen wie ein Kolonialherr dort walten kann. Auch das ist keine Demokratie, wie ich sie mir vorstelle.
(Beifall bei der LINKEN - Zuruf des Abg. Thomas Erndl (CDU/CSU))
Die historische Tragödie des Westbalkans, Herr Erndl, ist, dass es im Kreuzungspunkt von Großmachtinteressen stand - seinerzeit im Ersten Weltkrieg: Osmanisches Reich, Österreich-Ungarn, zaristisches Russland - und Ethnien und Religionen gegeneinander ausgespielt wurden. Heute sind es China, Russland, die EU, die USA und die Türkei. Wir müssen diesen geopolitischen Blick auf den Westbalkan überwinden. Ich glaube, dass dieser Einsatz keinen Beitrag dazu leistet.
Vizepräsidentin Yvonne Magwas:
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Andrej Hunko (DIE LINKE):
Ich komme zum Schluss. - Liebe Bundesregierung, ceterum censeo Assangeum esse liberandum - im Übrigen bin ich der Meinung, dass Assange sofort freigelassen werden sollte. Es ist dringend.
(Beifall bei der LINKEN)