Rede von Andrej Hunko (DIE LINKE) im Bundestag am 27.01.2022 zur Debatte über die Konferenz zur Zukunft Europas
Europa hat Zukunft, nur wenn es friedlich ist. Der Konflikt in der Ukraine oder die Entwicklungen in Bosnien-Herzegowina zeigen die Notwendigkeit, eine gesamteuropäische Perspektive für die Zukunft Europas einzubringen, indem der Europarat und die OSZE in die Konferenz miteinbezogen werden.
Andrej Hunko (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden jetzt über die Zukunft Europas, über die Konferenz zur Zukunft Europas. In der Debatte vorhin haben wir über Frieden in Europa gesprochen. Es sind zwei getrennte Debatten, und ich glaube, dass das falsch ist, weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass Europa nur eine Zukunft hat, wenn es ein friedliches Europa ist.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir werden in diesen Tagen durch die Situation an der Grenze zwischen der Ukraine und Russland, aber vielleicht auch durch die Entwicklungen auf dem Westbalkan, in Bosnien etwa, schmerzlich daran erinnert, dass Europa eben sehr viel größer ist als die Europäische Union. Die Europäische Union hat 27 Mitgliedstaaten. Zu Europa gehören aber auch die Staaten des Westbalkans, die Ukraine, Russland und auch Großbritannien oder die Schweiz. Deswegen denke ich, dass wir, wenn wir über die Zukunft von Europa sprechen, auch über ein gesamteuropäisches Projekt reden müssen, das auch Sicherheitsfragen beinhaltet.
Es gibt neben der Europäischen Union weitere wichtige europäische Institutionen, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa - die OSZE - und den Europarat, der den gesamten europäischen Kontinent abbildet. Wenn wir aber auf die Proportionen schauen, dann müssen wir feststellen, dass etwa der Europarat einen Jahresetat hat, der dem Tagesetat der EU entspricht, und dass zum Beispiel die OSZE, die jetzt gerade so wichtig wäre, einen Jahresetat hat, der nur ein Vierzigstel dessen beträgt, was dem neuen europäischen Militärfonds, dem sogenannten Verteidigungsfond, zur Verfügung steht, der gerade auf EU-Ebene beschlossen wurde. Ich denke, das sind falsche Proportionen, die wir korrigieren sollten.
(Beifall bei der LINKEN)
Bei der Konferenz zur Zukunft der EU - so muss man sie ja nennen - geht es natürlich um wichtige Themen; es ist angesprochen worden. Es geht darum, das Einstimmigkeitsprinzip in bestimmten Politikfeldern aufzuheben. Ich halte es für falsch, es im Politikfeld der Außen- und der sogenannten Verteidigungspolitik aufzuheben; denn das würde dazu führen, dass es perspektivisch noch leichter wäre, militärisch zu intervenieren. Ich wäre sehr dafür, das Einstimmigkeitsprinzip etwa im Sozial- oder im Steuerbereich aufzuheben, damit es einfacher wird, zum Beispiel einen europäischen Mindestlohn einzuführen, damit es einfacher wird, große Konzerne zu besteuern, die hier viel zu wenig Steuern zahlen, damit man vielleicht über eine europäisch koordinierte Vermögensabgabe reden könnte oder auch damit die dringende Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakt - 60 Prozent Bruttoinlandsprodukt, 3-Prozent-Regel - umgesetzt werden könnte. Das halte ich für sehr viel zielführender.
Zur Frage der Zukunft Europas. Die Konferenz geht noch bis in den Mai hinein. Ich habe darauf hingewiesen, dass es wichtig wäre, andere Institutionen und auch zum Beispiel Beitrittskandidaten vom Westbalkan einzubinden.
Ich mache unseren zwei Vertretern hier aus dem Bundestag, Herrn Krichbaum und Herrn Schäfer, die an der Konferenz teilnehmen, einen konkreten Vorschlag. Für die Abschlusskonferenz könnte man die Parlamentspräsidenten von OSZE und Europarat einladen, um die Perspektive des gesamteuropäischen Friedens deutlich zu machen. Das wäre ein konkreter Vorschlag.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle: Plenarprotokoll 19/218 vom 27. Januar 2022